Josepsson, Aevar Örn
neun oder zehn, irgendwas in der Richtung. Hört mal, kann ich vielleicht einen Schluck Wasser bekommen?«
*
Leblos, das war das Wort. Es traf hervorragend auf Ási Stero zu, der mit nacktem Oberkörper in seiner Zelle auf dem Fußboden lag. Die Spritze steckte noch in den imposanten Muskeln des Oberarms, und eine Schnur war um das angewinkelte Ellbogengelenk gewickelt. Stefán wäre jede Wette eingegangen, dass die erst hinterher dort platziert worden war, ob Geir das nun würde bestätigen können oder nicht. Ási rührte keine Drogen an, das stand ganz einfach fest, und auf gar keinen Fall war er ein Fixer. In der Zelle gab es nicht die geringsten Anzeichen für Gewaltanwendung, was darauf hindeutete, dass Ási denjenigen, der ihm die tödliche Spritze verpasst hatte, gekannt hatte. Und nicht nur gekannt, sondern ihm auch vertraut haben musste.
Stefán hielt sich nicht lange in der Zelle auf. Auch wenn noch nicht so viel Zeit seit Ásis Tod verstrichen war, dass sich Leichengeruch bemerkbar machen konnte, fühlte er sich unwohl und ging schnell hinaus auf den Korridor. Laut Vorschriften hatten außer Aufsehern, Rechtsanwälten und Angehörigen der Kriminalpolizei nur nahe Familienangehörige Zugang zu Häftlingen in der Isolation, und das auch nur in Ausnahmefällen. Sämtliche Besucher mussten erfasst werden. Seitdem sich am Abend vorher die Zellentür hinter Ási geschlossen hatte, war kein einziger Besucher registriert worden. Die Gefängnisbediensteten hatten ihm nur noch gegen zehn eine Tasse Kaffee gebracht und später die Zelle durch die Sichtluke kontrolliert, bevor sie das Licht löschten. Wenn man den Eintragungen in die Kontrollbücher Glauben schenken konnte, war danach niemand mehr zu Ási gekommen, bis man ihn an diesem Morgen kurz vor acht tot aufgefunden hatte. Keine Menschenseele.
Geir war auf dem Weg nach Eyrarbakki, und Stefán glaubte, im Voraus zu wissen, zu welchem Ergebnis er im Hinblick auf die Todeszeit kommen würde – nämlich zwischen halb drei und halb vier in der vergangenen Nacht. In diesem Zeitraum waren nämlich wundersamerweise sämtliche Kontrollkameras in Litla-Hraun ausgefallen. Er warf einen Blick auf die Liste mit den Gefängnisaufsehern, die Nachtschicht gehabt hatten, er kannte sie alle, es waren zuverlässige Leute, aber vielleicht nicht die Aufgewecktesten. So wie die Technisierung fortgeschritten war, brauchten sie trotzdem gar nichts damit zu tun zu haben. Die Technologie war gewiss eine der wichtigsten Waffen der Polizei, vorausgesetzt, alles war so, wie es sein sollte. Aber sie konnte sich auch nachteilig auswirken, wenn man zu sehr auf sie vertraute. Ganz besonders, wenn man die technische Kompetenz des Gegners unterschätzte, die nicht selten kaum geringer war und meist sogar die Fähigkeiten derjenigen übertraf, die sich im Schutz der Technik sicher wähnten.
Stefán beschloss, die Gefängnisaufseher im Augenblick zurückzustellen und sich auf die Liste mit den derzeitigen Gefängnisinsassen zu konzentrieren. Unter ihnen waren acht litauische Staatsbürger, und wenn man etwas auf Gerüchte geben durfte, standen zumindest einige von ihnen in enger Verbindung zu Lalli Fett und damit zu Ási Stero. Der Haken war allerdings der, dass die meisten von ihnen gar nichts von einer solchen Verbindung wussten, denn bei ihnen handelte es sich in der Mehrzahl nur um unselige Kuriere. Leute, die in Litauen in irgendeiner Bar oder Tankstelle aufgegabelt worden waren und, vollgestopft mit Amphetamin, aufs Geratewohl nach Island geschickt wurden, gegen eine Bezahlung, die es in ihren Augen sehr wohl wert war, ein solches Risiko auf sich zu nehmen. Diese Leute waren in ihrem endlich wieder freien Heimatland zumeist arbeitslos und lebten in bitterster Armut, und in den wenigsten Fällen hatten sie irgendeine Ahnung, wer die Leute waren, die sie schickten. Und noch weniger, wer die Sendungen in Empfang nahm, die sie entweder unter Lebensgefahr in ihren Eingeweiden transportierten, wie sich vor nicht allzu langer Zeit im Osten Islands herausgestellt hatte, oder in Autos, mit denen sie sich nach langer Reise über Land in Dänemark auf der Fähre nach Island einschifften.
Nein, dachte Stefán, das hat bestimmt nichts mit den Litauern zu tun. Da standen nämlich noch andere Namen auf der Liste, die er kannte und die besser ins Bild passten. Wie beispielsweise Eddi Schofel, Eðvald Valgeirsson, der vor vier Jahren wegen Totschlags verurteilt worden war. Er hatte ein klares
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