Josepsson, Aevar Örn
…«
»Zugang zu den Zellen? Wer hatte heute Nacht Wache? Sitzen hier welche ein, die Verbindung zu Lalli Fett haben? Ich möchte alle Namen, alle Aufnahmen aus den Kontrollkameras und alle Informationen, und zwar sofort, verstanden? Nicht morgen, nicht nachher, sondern sofort.« Der Gefängnisdirektor wusste zwar, dass Stefán nicht befugt war, so etwas zu verlangen, denn Eyrarbakki gehörte nicht in seinen Zuständigkeitsbereich, aber er wusste auch, dass es manchmal nicht geraten war, sich an Formalitäten zu klammern.
»Ich leite es unverzüglich in die Wege«, sagte er resolut.
*
»Ich hatte keinen Tropfen Alkohol mehr im Haus«, erklärte Úlfur. Árni hielt ihm das Gerät dicht vor den Mund. »Tinna war mit den Kindern in einem Ferienhaus, wir sind Gründonnerstag dorthin gefahren. Anfangs war das auch ganz in Ordnung, aber dann … Ja, dann haben wir uns also ein bisschen gestritten. Sie – ach nee, das spielt keine Rolle. Ich bin jedenfalls in die Stadt zurückgefahren, hab aber in der Hektik nicht daran gedacht, den Schnaps mitzunehmen. Also musste ich dann abends rüber zu Ólafur. Der hatte immer was vorrätig, der alte Knacker. Zwar bloß Gin, aber trotzdem, besser als nichts. Meistens hab ich ein Glas mit ihm getrunken und dann ein bisschen was von ihm geschnorrt und bin wieder rüber zu mir. Länger da mit ihm zu sitzen, dazu hatte ich keinen Bock, nicht in den letzten Jahren, nachdem er sich bekehrt hatte. Es ist … Man muss da bei diesen Therapien richtig aufpassen. Häufig genug ist es ja alles ganz okay und so weiter, aber manchmal sind da so Typen – vor allem bei der Anschlusstherapie in Staðarfell – die, ach Mann, ihr wisst schon, die sind da total auf dem Jesus-Trip und diesem ganzen Quatsch. Die lauern all diesen armen Schweinen richtiggehend auf. Die mit ihrem Zwölf-Schritte-Programm sind genau wie die Taliban, oder vielleicht noch schlimmer. Dabei immer scheißfreundlich, nichts als Amen und Halleluja und Jesus, unser bester Freund, und dieser ganze verdammte Mist.« Úlfur sah mit halb geschlossenen Augen zur Decke und verstummte. Árni warf Katrín ungeduldige Blicke zu, aber die gab ihm zu verstehen, dass er Úlfur nicht drängeln sollte.
»Aber dann, wie gesagt«, fuhr Úlfur kurz darauf fort, »dann kam Ólafur auf einmal von Staðarfell zurück und war richtig schlimm bekehrt, der Ärmste, die hatten ihn total umgekrempelt. Ich hab getan, was ich konnte, um ihn wieder zurückzukrempeln, aber der war so was von auf den Scheiß abgefahren. Mensch, der hat einem nur noch Bibelsprüche um die Ohren gehauen. Mit dem Alkohol war dann zunächst ’ne kleine Pause, aber es hat nicht lange gedauert, da hat er wieder angefangen. Also danach bin ich dann immer nur möglichst kurz bei ihm geblieben und hab ihn auch immer seltener besucht, höchstens dann, wenn mir selber der Fusel ausgegangen war. Letztes Jahr am Ostersonntag habe ich eine halbe Flasche von ihm geschnorrt, und dann bin ich am Ostermontag noch einmal zu ihm rüber, ich glaub, es war so um die Abendessenszeit, ich kann mich da nicht mehr so genau erinnern …«
»Um die Abendessenszeit?«, rutschte es Árni heraus. Katrín sah ihn strafend an, aber Úlfur ließ sich anscheinend durch diese Unterbrechung nicht beeinträchtigen.
»Ja«, sagte er. »Irgendwie hatte ich da so einen Durchhänger, ihr wisst, was ich meine. Ich war ganz allein zu Hause, und die Alte stocksauer irgendwo in der Pampa, und da war nur der alte Knacker, mit dem man sich unterhalten konnte. Ich hab mich zu ihm gehockt und ein Glas mit ihm getrunken, das war auch ganz in Ordnung. Er selber hatte schon ordentlich einen in der Krone, als ich kam, und wir haben da so rumgelabert. Er quasselte mir einen von seinen Kindern vor, na ja, Kinder, die sind natürlich beide schon erwachsen, aber trotzdem. Sein Sohn ist schwul, das wisst ihr bestimmt, und der Alte fand das total beschissen. Dafür hatte ich vollstes Verständnis. Wir haben also da über Schwule geredet, und ich hab ihm was über Tinna und das ewige Theater mit ihr erzählt. Wir haben bloß gelabert und getrunken. Irgendwann hatte ich dann aber keinen Bock mehr und hab ihn gefragt, ob er mir nicht ein paar Tropfen ausleihen könnte. Der hatte noch jede Menge Vorrat, da standen noch zwei Flaschen im Schrank und eine halb voll auf dem Tisch. Ich hab also die halbe mitgenommen und bin zu mir rüber, das war auch gar kein Thema. Da noch nicht. Weiß nicht mehr genau, wie spät es war, vielleicht
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