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Josepsson, Aevar Örn

Josepsson, Aevar Örn

Titel: Josepsson, Aevar Örn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer ohne Sünde ist
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nirgends einen Hinweis auf menschliches Leben. Sogar die Straße, über die wir gekommen sind, ist nicht mehr zu sehen.« Árni hatte sich achselzuckend umgeschaut und gefragt, was denn so besonders an diesem Moos sei, an Lava und an kahlen Bergen, und war wieder zum Auto gegangen.
    Stefán schüttelte unwillkürlich den Kopf, während er sich die Szene in Erinnerung rief. Der Anblick, der sich ihm bot, als er kurz darauf auf die Ausfallstraße einbog, die in den Süden Islands führt, beschwor eine andere und etwas ältere Erinnerung in ihm herauf. Innerhalb von wenigen Monaten war südlich des Rauðavatn-Sees ein ganz neues Wohnviertel entstanden, und die Überlegungen, die ein alter und recht eigenwilliger Kollege von ihm vor einigen Jahren von sich gegeben hatte, waren ihm noch genau im Gedächtnis. Woher sollten all die Menschen kommen, um diese Häuser zu füllen? Woher die ganzen Menschen nehmen, die in den überdimensionalen Geschäftszentren einkaufen sollten, die überall wie Pilze aus dem Boden schossen? Wer besaß diese Häuser und wer baute solche Häuser? Stefán erinnerte sich, dass er keine Antwort auf diese Fragen gehabt hatte. Sein Kollege hatte ihm daraufhin seine Theorie unterbreitet, dass dahinter womöglich die gleichen Leute steckten, die überall im Land die Fischfangquoten aufkauften und die Fischerdörfer rund um die Insel in den Ruin trieben.
    Als Stefán an diesem Donnerstagmorgen im August an der neuen Siedlung Norðlingaholt vorbeifuhr und unterdessen mit Mick Jagger von Brown Sugar zu Sway übergegangen war, fand er diese Idee nicht verrückter als viele andere.
    An diesem Tag war aber keine Zeit dafür, mitten in der Lava anzuhalten, auf jeden Fall nicht auf dem Hinweg. Vielleicht würde er sich ja auf der Rückfahrt die Freiheit nehmen können …
    *
    Katrín und Árni standen zu beiden Seiten von Úlfurs Krankenbett und warteten darauf, dass er etwas sagte. Sie hatten sich bemerkbar gemacht, und er hatte ihnen zu verstehen gegeben, dass er von ihrer Anwesenheit wusste, mehr aber nicht. Katrín räusperte sich.
    »Wenn du deine Meinung geändert hast, gehen wir einfach«, sagte sie. »Wir können wiederkommen, wenn es dir etwas besser geht. Die Ärzte sind sowieso dagegen, dass wir …«
    Úlfurs Blick ließ sie verstummen. Sie sah Árni an, der offensichtlich auch nicht wusste, wie man sich unter diesen Umständen zu verhalten hatte. »Aber wir können auch gern noch ein wenig länger bleiben«, sagte sie, setzte sich auf einen Stuhl am Bett und unterdrückte ein Gähnen. Sie und Sveinn waren erst um halb vier eingeschlafen, aber das war es mehr als wert gewesen …
    Sie musste sich zusammenreißen, um nicht idiotisch zu lächeln. Stattdessen warf sie Árni einen befehlenden Blick zu, dem er Folge leistete. Als er sich ebenfalls gesetzt hatte, schien Úlfur ruhiger zu werden. Er leckte sich über die Lippen und räusperte sich.
    »Also, ich möchte … ich muss … Habt ihr kein Aufnahmegerät dabei oder so etwas?« Er sprach etwas stockend, und die Stimme war so heiser, dass es fast wie ein Flüstern klang. Katrín und Árni blickten sich fragend an.
    »Leider nein«, sagte Katrín dann. »Aber wir sind ja zu zweit, also wenn es darum geht, dass jemand etwas bezeugt …«
    Úlfur schüttelte ganz vorsichtig den Kopf. »Es ist besser, wenn ihr das aufnehmt. Ich kann das nicht … Ich möchte das nicht ständig wiederholen müssen, verstehst du. Genug, das zwei … Genug, das einmal zu sagen. Fürs Erste.«
    Wieder blickten sich Katrín und Árni fragend an. Katrín traf die Entscheidung. »In Ordnung«, sagte sie, »Árni wird ein Diktafon besorgen, und ich warte hier so lange. Okay?«
    Árni verdrehte die Augen, stand aber dennoch ohne Widerworte auf und verließ das Zimmer.
    »Wir unterhalten uns einfach derweilen«, sagte Katrín, »oder wir schweigen, falls dir das lieber ist.« Úlfur sagte nichts, und Katrín entschied sich, sein Schweigen als grünes Licht für eine Fortsetzung der Unterhaltung zu deuten.
    »Dieser Hof da«, sagte sie, »dieser verlassene Bauernhof an der Laxárdalsheiði, wo du dich versteckt hast – weshalb bist du dorthin gegangen? Woher wusstest du von ihm?«
    »Oma und Opa haben dort gelebt«, murmelte Úlfur. »Ich bin als Junge mehrere Sommer bei ihnen auf dem Land gewesen. Als kleiner Junge, sie haben nämlich die Landwirtschaft drangegeben, als ich neun war, und sind in die Stadt gezogen. Der Hof verödete dann. Die Ställe und die Scheune wurden

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