Josepsson, Aevar Örn
und stiefelte aus dem Zimmer.
»Was ist denn los mit dem Alten?«, fragte Guðni sauer. »Wir haben alles, was wir brauchen. Sogar mehr, als wir brauchen, in Anbetracht dessen, was der Hund gesagt hat. Warum sind wir nicht auf dem Weg nach Krummahólar, um uns diesen Loser zu greifen?«
Katrín zuckte nur mit den Schultern. Ganz entgegen ihrer Gewohnheit stimmte sie diesmal völlig mit Guðni überein, doch sie fand es überflüssig, das laut zu sagen. »Er wird schon seine Gründe haben. Und er hat ja auch Recht, es besteht gar kein Grund zur Eile.«
»Was du nicht sagst«, knurrte Guðni. »Meiner Ansicht nach ist das idiotisch. Denn deswegen geht jetzt nämlich das ganze verdammte Wochenende mit dem Scheiß drauf.«
*
Stefán war keineswegs zufrieden mit sich selbst.
»Verdammter Mist«, brummelte er. Er saß am Schreibtisch und wartete auf die Pizzen und seine Mitarbeiter. Natürlich hatte Guðni völlig Recht, dachte er, natürlich deutete alles darauf hin, dass dieser Fall hier nicht anders gelagert war als statistisch gesehen zwei von drei Morden in Island: Zwei Männer lassen sich volllaufen, geraten in Streit, einer bleibt tot auf der Strecke. Punkt. Mordfall 1.01: Saufkumpane abchecken. Die wahrscheinlichste Erklärung ist oft die richtige. Nicht immer, aber oft. Sehr oft … Und trotzdem gestattete Stefán sich seine Zweifel.
Nach dem, was Katrín sagte, hatten beide Kinder seit Ostern 2005 nichts von ihrem Vater Ólafur gesehen oder gehört. Und seine frühere Frau war seitdem auch nicht mehr von ihm belästigt worden. Stefán versuchte, sein eigenes Gekrakel zu entziffern. Sigurlaug hatte seinerzeit schon dreimal bei der Polizei angerufen, denn Ólafur hatte sie wiederholt belästigt und ihr sogar gedroht, aber man hatte nichts in der Sache unternommen. Er nahm sich vor, das überprüfen zu lassen, irgendwo musste es ja etwas darüber geben, wenn die Frau sich offiziell an die Polizei gewandt hatte.
Zwar hatten sie immer noch nicht bei Nachbarn und anderen Bekannten von Ólafur vorgesprochen, auch die Kontenbewegungen und Bankgeschäfte und verschiedene andere Dinge mussten sie sich noch ansehen, aber aus dem, was sie bereits jetzt wussten, war mit einiger Wahrscheinlichkeit zu schließen, dass Ólafur im vergangenen Jahr zu Ostern oder kurz danach gestorben sein musste. Also vor knapp sechzehn Monaten. Das passte auch ausgezeichnet zu dem, was der alte Geir gesagt hatte. Der alte Geir, wiederholte Stefán im Stillen. Der Altersunterschied zwischen ihnen betrug nur sieben Jahre. Du hast gut reden, dachte er kopfschüttelnd, du gehörst ja bald auch schon zum alten Eisen.
Da es keine Möglichkeit gab, den Todestag mit Gewissheit festzulegen – sogar der Hund glaubte nicht, dass er präzisere Angaben machen könnte –, würde Úlfur sich nicht mit einem Alibi aus der Affäre ziehen können. Doch das Gleiche galt natürlich auch für alle anderen, rief Stefán sich in Erinnerung. Und da war auch noch mehr.
Úlfur hatte zugegeben, Ólafur am Ostersonntagabend besucht, ein Glas mit ihm getrunken und sich eine halbe Flasche Gin bei ihm geborgt zu haben. Er blieb aber felsenfest bei seiner Aussage, dass niemand zur Tür gekommen war, als er das nächste Mal angeklopft hatte, wusste allerdings nicht mehr genau, wann das gewesen war. Guðni war aus begreiflichen Gründen nicht bereit, dieser Behauptung Glauben zu schenken.
Beide Kinder von Ólafur, Bárður und Hólmfríður, hatten ihren Vater am Ostermontag besucht, Bárður kurz nach Mittag, und Hólmfríður am Nachmittag. Und beide stimmten in ihren Aussagen überein: Ihr Vater hatte behauptet, im Lotto gewonnen zu haben und den Gewinn mit ihnen teilen zu wollen, aber nur unter der Bedingung, dass sie ihn zu einer Versammlung begleiteten, sonst würde das ganze Geld an die WAHRHEIT gehen. Beide hatten ihn angeblich überhaupt nicht ernst genommen.
Das war wohl das, worauf Bárður in seinem ersten Gespräch mit Katrín angespielt hatte, als er sagte, er wüsste nicht, ob er das als Bestechungs-oder Erpressungsversuch von Seiten seines Vaters bezeichnen sollte. Beide Kinder verwendeten das Wort »Gehirnwäsche« über die Praktiken dieser Glaubensgemeinschaft, der ihr Vater sich angeschlossen hatte, ohne es jedoch näher zu begründen.
Am Ostermontagabend waren die Geschwister mitsamt Hólmfríðurs Kindern und Bárðurs Lebensgefährten bei der Mutter und deren jetzigem Mann zum Abendessen eingeladen gewesen. Dort waren sie fast bis
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