Josepsson, Aevar Örn
ihr auszusetzen war.
Er schluckte zwei weitere Parkodin und massierte sich kräftig die Schläfen. Alles in Butter, dachte er, alles in gottverfluchter Butter, und goss den Rest des Kaffees in seinen Becher. Wenn er den leer getrunken hatte, war er imstande, es mit was oder wem auch immer aufzunehmen – nur nicht mit sich selber.
*
Katrín ertappte sich dabei, wie sie fröhlich pfiff, während sie darauf wartete, dass das Wasser zum Kochen kam, und unwillkürlich biss sie sich zur Strafe auf die Zunge. Kurz darauf begann sie aber wieder zu pfeifen und gestattete sich, damit bis zum ersten Schluck Kaffee weiterzumachen. Es war an der Zeit, sich nicht mehr gegen dieses Wohlgefühl zu sträuben, beschloss sie. Sich damit abzufinden und es einfach zu genießen. Das schlechte Gewissen zu verdrängen, das sich immer wieder einstellte und jedes Mal die Freude dämpfte, sobald sie in ihr aufkommen wollte. Sveinn war mit den Kindern irgendwo auf Zeltfahrt, und sie war allein und ungestört zu Hause. Was war dabei, wenn man sich darüber freute?
Wenn das womöglich der Anfang vom Ende war, musste man sich damit abfinden. Vielleicht war es aber auch genau das, was sie sich erhoffte – oder vielmehr, was sie Sveinn einzureden versuchte, was sie sich erhoffte. Nämlich der Anfang eines neuen Abschnitts in ihrer aller Leben, wie sie sich, leicht beschwipst vom Rotwein, ausgedrückt hatte, als sie zu Ostern im Ferienhaus seiner Eltern diese Idee vom getrennten Sommerurlaub zuerst ins Spiel gebracht hatte. Die Idee dazu war ihr zwar schon lange vorher gekommen, aber sie wusste, dass sie sowohl den Zeitpunkt als auch die Worte überaus sorgfältig wählen musste, wenn sich das Ganze nicht in das Gegenteil von dem verkehren sollte, was sie beabsichtigte. Als er sie unverhofft zu einem romantischen Wochenende ohne Kinder in das Ferienhaus seiner Eltern eingeladen und es auch bereits so arrangiert hatte, dass die Kinder so lange bei Oma und Opa blieben, war ihr klar, dass dies das Jetzt oder Nie bedeutete.
Unter normalen Umständen hätte sie bestimmt ihren grünen Badeanzug mit den roten Blumen angezogen, falls sie sich überhaupt bei dem Sauwetter in den heißen Pool gesetzt hätte. Der schwarze Bikini taugte aber wesentlich besser für ihre Zwecke. Im Grunde genommen schämte sie sich im Nachhinein ein bisschen für ihre Hinterhältigkeit, beruhigte sich aber damit, dass es alles doch nur im Interesse ihrer Ehe und ihrer Kinder geschah. Wenn diese Ehe Bestand haben sollte, musste einfach etwas geschehen, etwas musste sich ändern. Sie wusste bloß nicht ganz genau, was.
Einiges lag auf der Hand, vor allem, was Sveinn und seine Probleme betraf, auch wenn er sich weigerte, sie als Probleme einzustufen. Seine Kumpel. Die Autos. Die Motorschlitten. Der Mangel an Verantwortungsbewusstsein und die Kindsköpfigkeit. Und außerdem natürlich der Fußball und das Bier, die in den vergangenen Jahren unzertrennliche Gefährten von Sveinn geworden waren. Die WM in Deutschland hatte dieses Zusammengehörigkeitsgefühl noch vertieft. Es gab genug in Angriff zu nehmen, und es war höchste Zeit.
Was sie selber betraf, so war alles sehr viel weniger klar. Katrín war nicht so anmaßend, dass sie alles, was in ihrer Beziehung schieflief, Sveinn in die Schuhe schob; von diesen Problemen ging sicherlich einiges auf ihr Konto. Es war ihr aber ein Rätsel, was das sein könnte.
Trotz des ewigen Regens war sie immer noch fröhlich und pfiff vor sich hin, als sie um Viertel vor neun ihr Kabuff im Hauptdezernat am Hlemmur betrat. Allein zu Hause, eine Mordermittlung im Gange und möglicherweise auch eine Beförderung in Reichweite – was wollte man mehr?
»Tag«, knurrte Guðni ihr durch die offene Tür zu. Das Pfeifen verging ihr auf der Stelle.
*
Die Besprechung zog sich in die Länge, es war schon nach zwölf, als Stefán endlich den Notizblock zuklappte und aufstand.
»Das wär’s wohl fürs Erste«, sagte er. Er nickte Friðjón und Geir zu, die das Nicken erwiderten und den Raum verließen, jeder auf seine Weise. Friðjón wie der Blitz, und Geir ganz gemütlich. »Ich glaube, wir drei bestellen uns erst mal eine Pizza«, sagte Stefán, »und treffen uns in meinem Büro. Oder wollt ihr lieber was Chinesisches oder Hamburger?«
»Mir ist es egal«, sagte Katrín.
Guðni knurrte etwas Unverständliches.
»Prima. Dann ordere ich die jetzt, wir treffen uns in einer Viertelstunde.« Er griff nach dem Notizblock und den anderen Papieren
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