Joy Moci - Ab jetzt wird alles anders
wollte er verdienen? Darüber hatte Robert noch nicht nachgedacht, er wusste nur eines: das Ganze bitte möglichst schnell. Damit die sozialen Projekte und die Wünsche und Träume seiner Familie erfüllt wurden. Na, dann konnte ja nichts mehr schiefgehen. Innerlich hatte Robert ein Lächeln auf seinen Lippen. Es schien so, als ob seine Ziele langsam Form annahmen.
Wie erlernt man denn den Börsenhandel, das Traden? Wie lernt man denn, an der Wallstreet Geld zu verdienen? Vor einigen Jahren hatte Robert einiges Geld bei der Anlage in Fonds eingebüßt. Der 11. September 2001 war sozusagen sein persönlicher schwarzer Freitag geworden. Von da an hatte er relativ vorsichtig agiert. Er hatte einige Börsen-briefe gelesen und festgestellt, dass es jede Menge Mei-nungen über den Markt gab und ihn eine Sache immer
wieder beschäftigt hatte. Es war das Thema Zeit. Je mehr er las, desto mehr wurde ihm bewusst, dass jede Aussage immer vom Zeitfaktor abhängig war. Für welchen Zeitraum wurde die Prognose abgegeben, und in welcher Lage befand sich der Markt gerade? Da es für ihn als Personalchef unmöglich war, sich stundenlang damit zu beschäftigen, hatte er diese Möglichkeit des Geldverdienens für sich völlig ausgeschlossen. Nun, wo er neue Ziele und Visionen brauchte, würde er Zeit finden, sich damit zu beschäftigen. Es gab jedoch einige grundlegende Dinge, die vorher noch geklärt werden mussten. Vorher – ja, ,vorher‘ war ein spannender Ausspruch. Denn so Gott wollte, fehlte ja auch noch eines: Er musste aus dem Koma wieder erwachen. Doch Robert verfügte über jede Menge Gottvertrauen und wusste mittlerweile, dass in diesem Universum immer alles zum Wohle aller passiert. Und wenn für ihn die Zeit reif geworden war, dann würde er seine Kinder und seine Frau wieder in seine Arme schließen dürfen. Robert wusste, er würde kommen, der große Tag.
JOY hatte ihn in den letzten Wochen sehr oft darauf hingewiesen, sich mit dem Hintergrund seiner Ziele zu beschäftigen. Über das Thema ,Entscheidungen treffen‘ wollte er nachdenken, und auch Vergebung und Verantwortung sollten die nächsten Punkte sein, über die er reflektieren wollte.
,Nun ja, dann lasse ich mal mein Unterbewusstsein arbeiten. Dann begebe ich mich am besten in eine wahrnehmende, passive Haltung und tue ausnahmsweise mal nichts. Und dann wird mir sicher zu den Hintergründen etwas einfallen.‘
Im selben Moment ging die Tür auf, und Steven stand vor Roberts Bett. Freudestrahlend verkündete er Robert: „Papa, ich habe heute beim Sportfest den 1. Platz im 100-m-Lauf in meiner Altersklasse geholt. Papa, Papa, ich bin der Beste von allen in meinem Alter.“
Steven strahlte über das ganze Gesicht. Hätte er keine Ohren gehabt, hätte er wohl ringsherum grinsen können. Er ließ sich nicht davon beeinflussen, dass sein Vater diese Nachricht teilnahmslos aufnahm. Mittlerweile hatte sich die ganze Familie an den Zustand gewöhnt, und jeder bezog Robert so in sein Leben mit ein, als wenn er gesund wäre. Manchmal war es sogar so, als ob Robert mehr Zugang zu seiner Familie fühlte als vor seiner Krankheit.
Steven setzte sich auf die Bettkante und gab seinem Vater einen Kuss auf die Wange.
„ Dad“, sagte er, „weißt du, was es war, was mich hat siegen lassen? Ich erzähl es dir, rutsch mal ein Stück, ich leg mich neben dich.“
Steven verschaffte sich etwas Platz neben seinem Vater, legte sich in seinen Arm und plapperte lustig drauf los. So wie in alten Zeiten – nein – besser. In alten Zeiten gab es keine Zeit für solche emotionalen Dinge. Sie wurden in der Regel relativ nüchtern und mit einem Lob abgetan. Daran hatte sich nun durch Roberts Krankheit drastisch etwas geändert. Mit einem Mal hatte er nämlich Zeit für seine Kinder. Die ganze Familie konnte zu jeder Tages- und Nachtzeit ihr Herz bei ihm ausschütten. Und jeder wusste, es war völlig vertraulich. Die Familie wuchs dadurch von Tag zu Tag mehr zusammen.
„ Dad, ich habe mir jeden Abend vorgestellt, wie ich im Geist die 100 m gelaufen bin. Ich habe es mir so stark gewünscht, dass ich manchmal dachte, ich sei sie wirklich schon gelaufen. Ich wusste immer, dass ich das Ziel erreichen würde. Ich habe daran nie gezweifelt. Vor ein paar Wochen kam im Fernsehen eine Sendung, wo Sportler
über ihre Siege gesprochen haben. Dort habe ich den Spruch gehört : ,Gewonnen wird im Kopf‘. Trainiert haben die alle, sagte ein Trainer. Entscheidend ist das, was du vorher
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