Joy Moci - Ab jetzt wird alles anders
Alliventi zu arbeiten. Es bestürzt mich, dass ich es dich habe so selten fühlen lassen, als du noch bei uns warst. Du hast mir häufig den Rücken gestärkt, wenn es mal wieder Trubel mit dem Betriebsrat gab. Wenn die Gewerkschaft irgendwas ausgeheckt hatte oder unsere oberste Heeresleitung irgendwelche unange-nehmen Dinge kundgetan hat. Ich möchte dir dafür danke sagen. Auch wenn du es jetzt nicht hören kannst, im Universum geht ja nichts verloren. Ich wünsche mir, dass ich es dir irgendwann noch einmal persönlich sagen kann. Doch bis dahin muss diese Art und Weise der Übermittlung wohl reichen. Ach ja, und von Herrn Manson soll ich dich noch grüßen. Du weißt, der technische Leiter. Ein feiner Kerl. Sehr analytisch. Zahlen, Daten und Fakten sind sein Leben. Und dennoch ist er irgendwie menschlich geblieben. Ich glaube, das war‘s, evtl. habe ich noch wen vergessen. Aber wie gesagt, es sagen alle immer: ,Bitte grüßen sie Herrn Ballmer von uns, wenn sie ihn wieder besuchen.‘
Tja und nun habe ich noch eine meiner heftigsten Herausforderungen in meinem Leben zu bewältigen. Deine rechte Hand, Herr Summers, schafft es auf Dauer nicht allein, die Leitung des Personalwesens für Frankfurt zu
steuern. Er ist derzeit mehr als überfordert, und ich möchte nicht, dass ihm Ähnliches passiert wie dir. Also, was mache ich nur? Ich stehe kurz vor der Entscheidung, deinen Platz neu zu besetzen. Und ich will das eigentlich gar nicht. Weil, weil, ich kann mir kaum vorstellen, dass dieser Platz zu ersetzen ist.“
,Jeder ist zu ersetzten‘, dachte Robert, ,auch ich. Und wenn es dessen bedarf, dann tu es, Michael. Ich weiß eh noch nicht, ob ich diesen Platz wiederhaben will.‘
„ Vielleicht möchtest du deinen Arbeitsplatz auch gar nicht wiederhaben, wenn du wieder gesund bist, das ist ja die andere Frage“, fuhr Michael fort. Fast wie aus einem Gedankengang heraus entstand diese Feststellung. „Ich werde wohl nächste Woche eine Stellenausschreibung rausgeben und gucken, was sich tut. Vielleicht finden wir auch einen Ersatz auf Zeit, das wäre mir persönlich das Liebste. Robert, ich habe vor, bei Alliventi einiges zu verändern. Du hast mir einen Anstoß dafür gegeben. Wenn ich dich hier so liegen sehe, dann weiß ich, es gibt viel zu tun. Ich frage mich, wo sind Werte wie Vertrauen, Ehrlichkeit, Kollegialität, Rücksichtnahme, Unterstützung, Nächstenliebe und Verantwortung geblieben? Es ist eine Herausforderung für mich, Robert. Und ich habe noch keine Ahnung, wie ich das Ding gestemmt bekomme. Aber es ist Zeit, und es wird geschehen. Vielleicht nenne ich es einfach „Projekt Robert“. Ich glaube, den tieferen Sinn würden viele Mitarbeiter verstehen. Damit wäre der erste Schritt der Message schon übermittelt. Was meinst du, wäre das ein Titel für solch ein Projekt?“
Michael Southerland schwieg und betrachtete Roberts Körper. Er war schmal geworden. Von Besuch zu Besuch
schmaler. Ruhe durchflutete den Raum. Roberts Big Boss entspannte sich, das war für Robert zu fühlen. Er atmete tief und hatte es sich in dem Sessel so richtig bequem gemacht. Einen Freund zu fühlen, ihn ohne Worte zu verstehen, das war es, was beide an diesem Tag am meisten beeindruckte. Michael Southerland schien die regelmäßigen Besuche bei Robert als Tankstelle für sein Gefühlsleben zu nutzen. Es war so, als wolle er sich aufladen für die nächsten Herausforderungen. Vielleicht war es auch ein außerge-wöhnliches Brainstorming oder ein Aufräumen seines Geistes. Egal, was es war, Robert mochte es, ihn dicht in seiner Nähe zu haben.
„ Robert, ich habe eine Idee, einen Anfang“, sagte Michael. „Ich verändere unsere Arbeitskreise. Ich habe viel nachge-dacht. Irgendwie bin ich verantwortlich für das Wohl der Belegschaft. Bei dir habe ich es verpasst, wahrzunehmen, dass das Maß voll war und die Arbeit einfach zu viel. Ich möchte einiges verändern. Vielleicht könnte ich die Arbeitskreise auch komplett umstellen. Die Hälfte wahr-scheinlich streichen.
Dieses ganze Thema Gesundheit ist ja eigentlich nur Fassade. Ich frage mich seit Monaten, ob wir den Nagel auch nur einmal auf den Kopf getroffen haben. Wir haben viele Aktionen durchgeführt. In Summe hat die Mehrzahl davon eine ganze Menge Vorteile gebracht. Doch mit welchem Aufwand! Das muss irgendwie anders gehen. Ich habe das Gefühl, wir spulen ein Programm ab, um ein reines Gewissen zu bekommen. Der Mensch steht trotz der ganzen
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