Jud Sueß
zeigten dem Herzog jetzt ihr widerwärtiges Gesicht. Unzuträglichkeiten bei der Deckung seines ungeheuren persönlichen Geldbedarfs, von Süß künstlich gesteigert, bei den Militärlieferungen. Dazu reizte Karl Alexander die immer gleiche Festigkeit Magdalen Sibyllens, auch die beiden Damen Götz, Mutter wie Tochter, von Süß aus der Ferne klug und unmerklich so geleitet, leisteten unerwarteten Widerstand. Remchingen war langweilig, mit Bilfinger wollte er nicht zusammen sein, weil er sich über seine Haltung in dem Stettenfelser Handel ärgerte, der Franzose Riolles war ihm zu affig, zu gescheit und zu spitz. Er seufzte nach seinem Juden. Wäre der dagewesen, wäre bestimmt auch der Stettenfelser Handel anders gegangen; es war eine Schande, daß seine Minister die christlichen Affären nicht ohne den Juden glatt erledigen konnten.
Mit offenen Armen wurde der Rückkehrende empfangen. Er war in Holland gewesen, in England. Hatte sich in Frankfurt feiern lassen, hatte in Darmstadt den Bruder, den Baron, den Getauften, verhöhnt; er wird ohne so verächtliche Mittel das gleiche erreichen. Zudem hatte er in den Niederlanden eine portugiesische Dame kennengelernt, eine Madame de Castro, rotblond, stattlich, noch jung, fein, adlig, hochmütig von Ansehen und Haltung. Witwe des portugiesischen Residenten in den Generalstaaten, sehr vermöglich. Er wollte sie heiraten. Sie schlug es nicht ab; Voraussetzung blieb nur seine Nobilitierung. Auf alle Fälle wird sie ihn, und das schon in nächsterZeit, in Stuttgart besuchen. Marie Auguste lachte stürmisch, wie sie von dem Projekt hörte. Dem Herzog war die geplante Mariage seines Hofjuden nicht angenehm, er polterte, er erlaube ihm ja, sich Mätressen zu halten. »Du Jud schleckst mir sowieso in alle Teller«, brummte er. Aber Süß ließ bei aller lächelnden Ehrerbietung nicht von seinem Plan und erwirkte von dem widerstrebenden Herzog ein neues Schreiben nach Wien wegen der Nobilitierung. Karl Alexander schrieb eigenhändig und dringlich. Er betonte, wie er mit seinem Hofjuden allein weit mehreres als mit all seinen anderen Räten und Bediensteten ausrichten könne, wie er seines Genies und seiner vorzüglichen Geschicklichkeit halber zu allen nützlichen Vorkommenheiten zu brauchen sei; und wie er, der Herzog, ihm als einzige seiner fürstlichen Dignité angemessene Reconnaissance das Adelsdiplom geradezu schuldig sei. Nach solchem Schreiben glaubte Süß alles auf bestem Wege.
Er ritt durch die Straßen auf seiner Schimmelstute Assjadah. Er sah zehn Jahre jünger aus, als er war, er war weitum in Schwaben der erste Kavalier. Schmeidig und rank, nicht groß saß er zu Pferde, die sehr roten Lippen leicht offen in dem weißen Gesicht, die kastanienfarbenen Haare drängten gefallsam unter dem breiten Hut vor, mit edlen Steinen besetzt blitzte die Peitsche, unter der heiteren Stirn wölbten sich die fliegenden Augen. Die Köpfe der Frauen wurden herumgerissen: Er ist wieder da! Die Damen Götz lagen im Fenster, himmelten, während er voll Ehrfurcht hinaufgrüßte. Er ist wieder da! Er ist wieder da! knurrte das Volk, aber er gefiel ihm. Und Dom Bartelemi Pancorbo sah an der Hand, die seinen Gruß erwiderte, den riesigen, strahlenden Solitär. Er ist wieder da! lächelte er mit den entfleischten Lippen, und über der zeremoniösen Halskrause der altertümlichen portugiesischen Hoftracht schickte er begehrlich und lauersam die starren, schmalen, wandernden Augen dem entschwindenden Reiter nach.
Die Stute Assjadah aber reckte den Kopf hoch auf, und sie wieherte hell und triumphierend den aufhorchenden Bürgern,den höhnisch neidvollen Kavalieren, den gekitzelten Weibern zu: Er ist wieder da!
Der Aufenthalt des herzoglichen Paares in Ludwigsburg wurde mit einer Festvorstellung beschlossen. Die Herzogin spielte mit, der junge Götz, der mittlerweile Expeditionsrat geworden war, der Geheime Finanzienrat Süß. Alles Schwierige und weniger Dankbare hatten die Sänger und Schauspieler der herzoglichen Truppe übernommen.
Théâtre paré. Allongeperücke der Herren, nackte Schultern der Damen Vorschrift. Schon von der vierten Reihe an konnte durch den Wald der mächtig getürmten Perücken nur spärlich über die Lichtung einer nackten Damenschulter ein Stückchen Bühne erspäht werden.
Auf der Bühne die Herzogin. Wie ist sie schön in der spanischen Tracht, der goldene Pfeil hebt den schwarzen Glanz der Haare über dem Profil, das in der Farbe alten edlen Marmors leuchtet.
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