Jud Sueß
Remchingen, wie er sie sieht, stößt einen merkwürdig knurrenden Laut aus wie ein Tier, der Herzog kann sich nur mühsam beherrschen, nicht zu schnalzen, der junge Lord Suffolk wird ganz blaß bei ihrem Anblick.
Man spielt das Stück eines alten großen spanischen Meisters. Das Werk ist durch viele Hände gegangen, italienische Komödianten haben es auf ihre Wanderschaft mitgenommen und umgemodelt, man hat Arien und Ballett eingelegt. Jetzt hat der Tübinger Hofpoet sich darübergemacht, er hat alles in gewissenhafte, säuberliche Alexandriner gegossen. Aber die gelbe, kleine Napolitanerin, der naturgemäß die wichtigste und schwerste Rolle übertragen war, hatte darauf bestanden, ihre Hauptszenen italienisch zu spielen und zu singen. Da hatte sich der schwäbische Poet grollend zurückgezogen, Süß, der Tausendhändige, hatte in aller Eile aus dem Kreis seiner Mutter einen anderen Dichter und Regisseur beschafft, und jetzt wurden einzelne Szenen deutsch, einzelne italienisch gespielt, was von vornherein für Abwechslung sorgte und keine Langeweile aufkommen ließ.
Aber es war überhaupt eine spannende und anregende Komödie. Ein Held stand oben auf der Bühne, ein Kavalier und wilder Liebender. Sein Metier war Krieg und Liebe. Er hatte bloß die Eigenheit, daß ihm jede Frau, erst einmal genossen, sogleich zum Ekel ward.
»Die Schönheit, die uns lockt,
Ist Huld und süßes Wunder;
Die Schönheit, die gekost’t,
Ist wüster Dreck und Plunder«,
äußerte er, und die Allongeperücken der Zuhörer nickten nachdenklich Zustimmung. Der Held oben auf der Bühne handelte indes nach seiner Maxime, er hatte ein immer wüsteres Gewese mit den Frauen, in jeder Szene entführte er, stach er Liebhaber tot, ließ er Frauen sitzen. Nur die Herzogin, die sehr edel war, tat ihm den Willen nicht, sondern gab es ihm immer wieder und das gründlich, wie es sich eben für eine so hohe Dame schickt. Marie Auguste machte das sehr stolz; doch Herr von Riolles, der unter den Zuschauern das schärfste Aug für so etwas hatte, merkte, daß sie heimlich lächelte über die geschraubte und gespreizte Sprödigkeit, die sie spielte. Kaum abgetreten, stieß sie denn auch lächelnd den Expeditionsrat Götz in die Seite: »Den hab ich fein abfahren lassen, nicht?« Der Expeditionsrat verneigte sich mehrmals tief und respektvoll. Er war eigentlich bereits tot. Denn er war einer von den Nebenbuhlern des Helden und gleich zu Beginn des Stückes abgestochen worden. Er hatte aber dem Komödianten die Sache verflucht sauer gemacht, denn er wollte, wie sich das für einen jungen schwäbischen Herrn aus so gutem Hause geziemt, durchaus nicht so ohne weiteres fallen, er zeigte alle seine Fechtkünste, hätte um ein Haar den Komödianten schwer verletzt und mußte schließlich, sonst wäre das Stück nie zu Ende gegangen, fast mit Gewalt zur Bühne hinausgeschleift werden.
Und die Komödie ging weiter. Der Held hatte durchaus kein Glück mit der Herzogin. Er wollte sie entführen. Aberdie kleine gelbe Napolitanerin, die er in wildem Gebirg hatte sitzenlassen, war zwar den Mauren, die dort streiften, in die Hände gefallen, doch sie war wieder befreit worden, und infolge einer besonders kunstvollen Verwicklung des Dichters muß nun der Held in der Dunkelheit, ohne sie zu erkennen, wieder sie entführen an Stelle der Herzogin. Er bringt sie in die Berge, dort merkt er den Irrtum, schäumt, beschließt, die Unselige an die Mauren zu verkaufen. Doch die kleine gelbe Napolitanerin, hingeworfen, jammert und fleht zu ihm. Dies war die schönste Szene des Stückes, der große spanische Meister hatte all seine Kraft darangesetzt, und selbst unter der Verschmutzung und Vernüchterung der langen Wanderschaft waren noch Reste ihrer Schönheit geblieben. Die Napolitanerin also kniete vor dem geschminkten, hochmütig und gelangweilt sich spreizenden Komödianten zwischen Öllampen und drei braunen, primitiv geschnittenen Versatzstücken, die wildes Gebirg darstellten, und sie sprach: »Du schworst dich mir zum Gatten. So es dich verdrießt, gern lös ich dich des Eids. Sperr mich für alle Zeit ins Kloster! Oder mache mich, soll ich denn Sklavin sein, zu deiner Magd! Nie will ich dir anderes als Glück erflehn. Bist du im Krieg, in deinem Zelt will ich dir kochen, dir die Kleider säubern. Oder führe mich zu deiner Liebsten, gib mich ihr als Magd! Wenn ich sie kämme, und du stehst dabei, will ich nicht klagen, sie am Haar nicht zerren, und sprichst du
Weitere Kostenlose Bücher