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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sanfte Worte dann zu ihr, zärtliche, kosende, wie ehmals zu mir, will ich die Lippen pressen, will ganz stumm dies schlimmste Weiberschicksal auf mich nehmen: ihr Sklavin sein, die der Geliebte liebt. Doch nicht verkaufen! Nicht den Mauren mich verkaufen!«
    Sie war aber durchaus nicht mehr die kleine, gelbe, fette, verderbte Napolitanerin, während sie dies sprach, sondern die Verse trugen sie, und sie war eine arme, preisgegebene, mißbrauchte und klagende Kreatur. Es wurde ganz still im Saal, man hörte einen Tropfen von einer Öllampe auf die Bühne niederfallen, und in ihren Leuchtern an den Wänden sangen die Kerzen.
    Die blonden, zarten, feinen Damen Götz waren sehr gerührt, ja, die Tochter schluchzte ganz laut, aber sie hütete sich, zu weinen, denn dann hätte sie eine rote Nase bekommen, und das stand ihr nicht. Doch Madame de Castro, die Portugiesin, die Süß heiraten wollte und die ihren Vorsatz ausgeführt hatte und nach Stuttgart gekommen war, war eine praktische Dame und suchte aus allem, was sie sah, hörte und erlebte, Nutzanwendungen für sich selber zu ziehen, und sie dachte Praktisches und überlegte: Ja, so sind die Männer. Sie versprechen alles, ehe sie einen haben, und nach der ersten Nacht werden sie brutal. Wenn ich ihn heirate, werde ich auf alle Fälle mein Vermögen sicherstellen, und was er mir auszusetzen hat, so hoch veranschlagen, daß ich bei allen Eventualitäten auf meine Rechnung komme. Überhaupt werde ich mir das Für und Wider noch reiflich überlegen.
    Man muß die Weiber in Kandare halten, sinnierte der Herzog, das ist richtig. Aber der da oben treibt es doch zu toll. Ich würde ihn stäupen lassen. Die Welsche ist sehr gut. Sie hat mir gleich gefallen. Merkwürdig, daß ich sie noch nicht ins Bett kommandiert habe. Daran ist die Magdalen Sibylle schuld. Ich bin ein Esel, über der einen so den Blick für die anderen zu verlieren. Aber das werd ich heute nacht noch nachholen.
    Remchingen fraß mit seinen stieren Augen an der Komödiantin. Er hatte sie gehabt, aber da er sie schlecht entlohnt hatte, denn er war filzig, hielt sie ihn kurz. Ich werde noch ein paar Dukaten springen lassen müssen, seufzte er. Ich werde mich an dem Juden schadlos halten. Er muß mich an den neuen Stiefellieferungen beteiligen. Dieser verfluchte Jud ist eigentlich an allem schuld. Er verwöhnt einem die Weiber, daß sie einem nicht auf eins, zwei parieren und soviel verlangen für etwas, das sie nichts kostet.
    Aber ganz hinten in der Ecke war der Schwarzbraune. Er stand aufrecht und sah über die Perücken hinweg, und er hob sich noch auf die Zehen, um nichts zu verlieren. Mit seinen großen Tieraugen schlang er die Aufgelöste, Hingegossene.Und er konnte einen dunklen, heisern Kehllaut nicht unterdrücken, als die Schauspielerin endete: »Mein süßer Herr! Mein Glück! Mein Himmel! Kehr zurück in dich! Du selber werde wieder! Finde dich! Noch ist die Reu Verdienst und nicht Verbrechen. Denn tätst du’s nicht, sieh, Himmel, Mond und Sterne, Menschen und Tiere, Berg und Wald und Baum, die Elemente selbst verweigerten den Dienst dir, stünden auf, empört ob solchen Frevels, wider dich. Hör mich! Steh ab! Señor Gomez Arias! Sieh mich im Elend hie! Verkauf mich nicht dem Mauren nach Benamegi!« Dieses Letzte sang sie mit einer kleinen, stillen, rührenden Stimme. Remchingen und andere bezogen ihre Bewegtheit in irgendwelchem vagen Zusammenhang auf sich selber; niemand ahnte, daß die Komödiantin, während sie sprach, an den ungelenken, semmelblonden Expeditionsrat Götz dachte.
    Doch dann trat Süß auf. Er war der Maurenfürst, an den der schurkische Spanier die Napolitanerin verkaufte. »Natürlich«, sagte Remchingen zu seinem Nachbar, »wo es was zu kaufen gibt, ist der Jud da.« Aber Süß benahm sich sehr edel und ritterlich. Trotzdem er sie heiß liebte, rührte er die Frau, die er als Sklavin gekauft hatte, nicht an. Er äußerte:
    »Schlecht gilt die Liebe mir,
    Die nicht durch innern Wert,
    Die sich durch Zwang erwirbt,
    Was glühend sie begehrt.«
    Wobei er, über und über von Edelsteinen strotzend, in den seidenen maurischen Hosen, die allerdings mit flandrischen Spitzen geziert waren, sehr glänzend aussah.
    Der Braunschwarze freute sich, daß der Moslem auf der Bühne sich so nobel aufführte. Der Herzog lachte: »In Wirklichkeit würde mein Jud nicht so lange Faxen machen.« Aber Dom Bartelemi Pancorbo dachte: Da deklamiert er und macht groß Gemauschel um das Weib, was

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