Jud Sueß
die Bank seiner Meßbude mit Schweinefett, das dann an seinem Kaftan hängenblieb, er hetzte die Kinder auf ihn, er ließ ihn springen und Hepp-Hepp machen, und er hatte die Lacher auf seiner Seite. Der Jude ließ sich alles gefallen, er sah häßlich, dürr und erschöpft aus und hatte, kam er dann endlich unter seinen Waren zu Atem, ein japsendes, verzerrtes Lächeln. Die Leute hatten zwar an den Späßen des Kaspar Dieterle ihre Freude und verlachten den Juden weidlich mit, aber sie kauften doch bei ihm, da trotz der Sonderabgaben seine Waren billiger und mannigfaltiger waren als der arme Plunder des anderen. Kaspar Dieterle hatte eine dumpfe, unsinnige Wut auf den Jecheskel Seligmann, er beschloß, ihn des Nachts halbtot zu schinden und zu treten, aber er hatte nicht genug Geld, um noch das Nachtquartier bei dem Meß- und Judenwirt zu bezahlen, wo der andere wohnte, und er mußte vor Torschluß die Stadt verlassen.
Das Paar übernachtete in einem dünnen Wald. Sie waren, der Mann wie das Mädchen, erbittert und grimmigster Laune. Dazu setzte Regen ein, sie froren und waren hungrig. Er hatte ihr versprochen, auf der Eßlinger Messe eine Korallenkette für sie zu kaufen, sie hatte die kleine Einnahme, die sie gehabt, auch zu solchem Zweck zurückgelegt, aber er hatte ihr das Geld entrissen und Schnaps dafür gekauft. Jetzt verlangte sie, er solle sie wenigstens davon trinken lassen. Er höhnte sie, schimpfte, sie lausiges Hurenbalg sei schuld, daß man nicht mehr verdient habe. Sie schimpfte zurück, sie werde ihn anzeigen, er habe sie genotzüchtigt, auch sonst geraubt und gestohlen, der Galgen sei ihm sicher. Er schlug zu, sie schrie und schimpfte weiter, der Hund kläffte, er schlug heftiger, sie biß ihn. Er, da sie nicht abließ und sich trotz aller Schläge nur wilderin ihn verbiß, haute sie schließlich wuchtig mit der Schnapsflasche vor die Stirn. Sie fiel um, streckte sich, blieb liegen. Öfters schon war das geschehen, so ließ er sie liegen, schnaubte befriedigt. Leckte aus der zersplitterten Schnapsflasche. Hüllte sich in etliches Tuch, schlief wie ein Klotz, wüst schnarchend. Aber der Regen drang durch und weckte ihn bald wieder. Er rülpste, sie solle zu ihm rücken, ihm eine andere Decke geben, ihn wärmen. Da sie nicht antwortete, stieß er nach ihr, fluchte. Wie sie sich noch immer nicht rührte, stand er froststarrend auf, trat sie. Entzündete endlich, seufzend, rülpsend, umständlich, nach vielen vergeblichen Versuchen die blinde, zerschlagene Laterne. Leuchtete die Reglose auf und ab. Sah sie, Kiefer herunter, Augen groß auf, naß, starr.
Er stand lange im Regen, in dem dünnen Wald, frierend, blöde, ohne Sinn, allein mit der Toten und dem leise winselnden Hund. Die Laterne hatte sogleich der Wind gelöscht, es war dunkel und frostig. Aus dem Baum, an dem er lehnte, tropfte es auf ihn herab, es rann ihm den armen, platten Hinterkopf herunter in den Nacken, sein rötlichblonder Seehundsbart tropfte gleichmäßig. So stand er lange und begriff durchaus nicht, wie und warum die Babett, das einzige Wesen, an dem ihm lag, jetzt tot war. Schließlich begann er ein widriges und furchtsames Heulen, der Hund fiel ein, er hob den Fuß, nach ihm zu treten, unterließ es.
Nach einer Weile kniete er neben die Leiche; entkleidete, nicht ohne Mühe, den starren, häßlichen, schmutzigen Körper, machte überall Schnitte in die Haut, mit stumpfer, nicht zu rascher Geschäftsmäßigkeit. Er verwandte hierzu den Scherben der Schnapsflasche, trotzdem er es mit einem Messer leichter hätte tun können. Er lud dann, es regnete noch immer, die Nackte, Verstümmelte auf den Karren, umstapelte sie hoch mit Decken und Kram, zog mit dem Hund den Karren wieder in die Stadt. Kam dort mit dem frühesten Morgen an, als das Tor geöffnet wurde. Der Torwache sagte er, er habe noch einen Handel mit dem Juden Seligmann. Man ließ ihn passieren.
Er zog seinen Karren in die Herberge, wo der Jude Jecheskel Seligmann Freudenthal wohnte. Alles wie getrieben, mit einer seltsamen, gleichmütigen Zielbewußtheit. Im Hof der Herberge stellte er seinen Karren ein. Veräußerte um ein Spottgeld auch sein Notwendigstes. Soff. Lief dazwischen immer wieder nach seinem Karren. Bis er endlich, während nur die jungen Schweine zuschauten, die Leiche in dem Unrathaufen notdürftig begraben konnte. Es regnete noch immer. Dann ging er wieder in das Schankzimmer. Soff. Zog die Kleider seiner kleinen Base heraus. Erzählte eine Geschichte.
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