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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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diese üble Verstrickung mit seinem gottgewollten Herrn gebracht, und er sprach sich aller Schuld ledig, wälzte sie auf die Sängerin und sah mit grimmiger Befriedigung zu, wie sie ihre Fuhre Kot schleppte.
    Nun liebte aber die Napolitanerin den unbehilflichen, semmelblonden Menschen wirklich. Sie verriet ihn nicht, trotzdemsie sich vielleicht dadurch hätte retten können. Während sie in Schimpf und großer Not durch die Straßen geführt wurde, dachte sie nur an ihn. Sie rührte die Lippen, das Volk glaubte, sie bete, aber sie sagte nur tonlos und ziemlich ohne Sinn jene Verse vor sich hin, die sie in der Komödie gesungen hatte: »Mein Herr! Mein Glück! Mein Himmel! Sieh mich im Elend hie! Laß mich nicht dem Mauren in Benamegi!« Alte Märchen spukten in ihr von dem Prinzen, der die Bettlerin zu seiner Prinzessin erhöht. Jetzt wird er, jetzt gleich hervortreten, und all dieses Gröbliche ist nur ein Alp und arger Traum. Erst als sie über die Grenze geschafft war, ohne daß er auch nur das leiseste Wort hatte hören lassen, brach sie zusammen.
    Das Gerücht sickerte durch von der Erkrankung des Herzogs. In den Bibelkollegien flüsterte man, das sei die Strafe des Herrn, und man erinnerte an Nebukadnezar, der zu seinem bösen Ende Gras habe fressen müssen wie ein Ochs. Aber in der Hofgesellschaft errang diese kavaliersmäßige Erkrankung dem Herzog nur größeren Respekt. Der Tübinger Hofpoet überreichte ein Poem, in dem er sagte, daß man zuweilen die Siege im Reiche Amors mit kleinen Wunden bezahlen müsse, die aber nicht minder ehrenvoll seien als die des Schlachtfeldes. Amor schieße manchmal mit vergifteten Pfeilen. Und da er der Napolitanerin nicht vergessen hatte, daß sie damals in der Komödie seine Alexandriner nicht hatte sprechen wollen, versäumte er nicht, sie mit allerlei Geziefer und Gewürm zu vergleichen und anzudeuten, er sei sich von einer solchen welschen Verächterin der deutschen Musen von jeher alles erwartend gewesen. Zum Schluß rief er aus, wer den Türken und Franzen überwand, werde auch diese kleine Molestierung überwinden und Schwabens Alexander bald wieder Schwabens Paris sein.
    Die Herzogin sah in der Erkrankung ihres Gatten Wink und Fügung. Noch immer stand an ihrem Wege der junge Lord Suffolk, mit seinem roten, primitiven, unbegrenzt verliebten Gesicht. Er hatte sich an seinem Hof und in seiner Herrschaft durch sein Fernbleiben unmöglich gemacht, erverehrte sie hartnäckig, stumm und verzweifelt, es war nur mehr eine Frage von Tagen, wann er ein Ende machen würde. Daß jetzt ihr Gatte nicht zu ihr kommen konnte, war dies nicht ein Wink? Und sie erbarmte sich des armen, treuen, zähen Menschen, lächelnd und amüsiert.
    Aber der junge Engländer war offenbar ein Pechvogel und zu jedem Unstern vorbestimmt. Karl Alexander neigte gemeinhin durchaus nicht zur Eifersucht, er kam gar nicht auf den Gedanken, daß man ihn, ihn! hintergehen könnte. Aber sei es, daß er durch seine Erkrankung mißtrauisch geworden war, sei es, daß andere ihn aufgehetzt hatten, er drang unversehens in die Gemächer der Herzogin ein; gerade noch, daß der junge Lord, schlecht bekleidet und unwürdig, sich retten konnte. Der Herzog machte einen Höllenspektakel, zerschlug Spiegel und Parfüms, zerschliß mit seinem Degen kostbare Wäsche, nannte Marie Auguste mit pöbelhaften Namen, ja er schlug sie in das ziervolle, kleine, eidechsenhafte Gesicht, das von der Farbe alten, edlen Marmors war. Die Herzogin erzählte weinend und empört Magdalen Sibyllen davon, sie beteuerte theatralisch ihre Unschuld, aber bald stahl sich in ihre Empörung ein kleines, amüsiertes Lächeln, sie machte spitzbübisch die lärmende Aufregung des Herzogs nach, divertierte sich an den merkwürdigen und gröblichen Schimpfworten, suchte sie ins Französische und ins Italienische zu übersetzen. Zuletzt meinte sie lächelnd, es sei seltsam; wenn etwa Riolles oder Remchingen zu ihr kämen, sie sei gewiß, die würden auch das vierundzwanzigstemal nicht erwischt werden; aber der arme, tapsige Junge natürlich gleich das erstemal, kaum zu Ende und nicht recht wissend, wie er es anstellen sollte.
    Da es sich nicht schickte, daß der Souverän sich mit dem Lord schlage, sollte für alle Fälle, ob der Engländer nun schuldig oder nicht, Remchingen sich mit ihm duellieren. Remchingen brummelte vor sich hin, eigentlich habe er ja auch allen Grund dazu. Indes zeigte er, als es ernster wurde, keine sonderliche Eile. Schließlich

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