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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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freilich, Gott sei Dank, vermöge seines Genies und seines eingeborenen adeligen Blutes doch nicht unterkriegen lassen. Sein Ingenium hatte strahlend floriert trotz allen gemeinen Hemmungen und Bindungen. Aber wie viele empörende, blutvergiftende Demütigungen, wie viele erniedrigende, krumme Schleich-und Umwege hätte er sich erspart, wie viele bizarre, alberne Kanten und Winkel wären glatt und gerade gewesen, hätte man ihn nicht verbrecherisch in diesem falschen und pöbelhaften Stand und Glauben belassen.
    Aber wie das? Nur Ruhe! Nur keine Wallungen! Alles ruhig wägen und überdenken! Lag jetzt sein Weg wirklich so glatt und im Licht vor ihm?
    Es war also nicht der kleine Kantor und Komödiant Issaschar Süß sein Vater. Es war klar und unumstößlich zu erweisen, daß Georg Eberhard von Heydersdorff sein Vater war, Baron und Feldmarschall. Er war nicht aus schlechtem Samen, seine Allüren, seine Tenue, sein Temperament war nicht willkürlich angenommen, war nicht erlernt und künstlich. Seine kavaliersmäßigen Neigungen, sein Aufstieg, sein herrenmäßiges, adeliges Gewese war selbstverständlich, brach notwendig durch alle Hemmungen; denn es kam aus dem Geblüt und innerster Natur. Er war Christ von Geburt und Kavalier.
    Bastard? Je nun, das waren die Fähigsten und Besten, die in solchem wilden, von ungezügeltem Trieb bestimmten Bett gezeugt waren. Wo sich nicht erkältend und ernüchternd praktische Erwägung zwischen Blüte und Frucht gestellt hatte. Wenn nicht auf dem Thron selbst, so doch auf seinen höchsten Stufen saßen, überall in Europa, Bastarde. Es ehrte seinen Vater, daß er sich von keiner sauern Aristokratentochter, daß er sich von der schönen Jüdin den Sohn gebären ließ.
    Heydersdorff sein Vater, Georg Eberhard von Heydersdorff. Ein schöner Name. Ein wilder Name. Ein blutiger, zerfetzter, unseliger Name. Er kannte Bilder dieses Mannes. In tapferer Schamlosigkeit hatte die Mutter das Bild in ihrem Zimmer hängenlassen, auch als der Mann diffamiert und in letzte Not gejagt war. Wie oft war er als Junge davorgestanden, vor dem Bild des prunkenden Generals, an seinem Namen hatte ihn die Mutter sprechen gelehrt, der umständliche Name Georg Eberhard von Heydersdorff war mit das erste gewesen, was das frühreife Kind fehlerlos hatte aussprechen können; die Mutter hatte ihm ein Zuckerlein in den Mund gesteckt, als er das erstemal damit zu Rande kam. Ah, von ihm also hatte er das kastanienbraune Haar, von ihm die herrenhaft schlanke Haltung, und die rote, stolze Uniform war es, was ihm vorschwebte, was ihn immer weiterlockte auf dem Weg, den er so märchenhaft hinaufgelangt war.
    Georg Eberhard Heydersdorff: ein Schicksal, das in steilem Triumph hinaufführte und jäher hinab. Feldmarschall-Leutenant,hochverdient in den Türkenkriegen, Komtur des Deutsch-Ritterordens zu Heilbronn, Kommandant zu Heidelberg im französischen Krieg. Neid und Eifersucht schleppten ihn nach dem Fall der Festung vors Kriegsgericht. Er habe sie feig und voreilig übergeben, er hätte sie halten sollen bis zur Ankunft Ludwigs von Baden. Todesurteil. Der Kaiser begnadigt ihn. Doch wie! Der Knabe hatte Bilder gesehen, wie die Begnadigung vollzogen ward. Deutlich noch jetzt sieht er jede Einzelheit der fliegenden Blätter. Das rechte Neckarufer entlang hat der scheelsüchtige Markgraf die Truppen aufgestellt. Wie steif er sich hält auf seinem dürren Gaul. Das war also sein Vater, der da die Front des ganzen kaiserlichen Heeres entlanggeführt wird. Eine endlose Front; die Soldaten schlängeln sich das ganze Blatt hindurch in immer neuen Zeilen. Und sein Vater hockt auf dem Schinderkarren, schimpflich ausgestoßen aus dem Deutsch-Ritterorden, entsetzt all seiner Ehren, und der Heilbronner Scharfrichter und seine Knechte führen ihn.
    Noch andere Stiche und Schnitte und fliegenden Blätter hat er gesehen. Doch die sind ihm minder klar in der Erinnerung. Auf einem sieht er noch ganz deutlich, wie jemand einen Säbel zerbricht. Das ist offenbar, wie dem Feldmarschall vor dem Regiment, das seinen Namen führt, sein Todesurteil vorgelesen wird und die Verwandlung in Verbannung. Als treuloser Schelm wird er verbannt aus Österreich und Schwaben. Der Henker reißt ihm den Degen von der Seite, schlägt ihn dem Delinquenten dreimal ums Maul, zerbricht ihn. Laut wehklagend wird der Verbannte über den Neckar geführt, in einem Nachen.
    Das Weitere blieb Gerücht. Er soll zu den Kapuzinern geflohen sein nach Neckarsulm, als

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