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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Blatt mit dem Titel: »Untertäniges Danksagungskompliment sämtlicher Hexen und Unholde an seine jüdische Hexelenz Jud Josef Süß Oppenheimer, im Namen aller aufgesetzt und überreicht von gesamter nachtliebender Sozietät Urgroßmutter, der Zigeunerin in Endor.«
    Während der Herzog dieses Blatt las, überkamen ihn die alten Gesichte. Er sah sich schreiten in jenem rätselhaften, gebundenen Tanz, er hörte die knarrende, mißlaunige Stimme des Magus, er hörte, hörte körperlich, sein Schweigen, sah das Verschwiegene auf sich zukriechen, vielarmig gestaltlos. Er wollte los aus dieser verdammten Hexerei. Warum hielt er denn den Juden? Er hatte doch bloß Spott und Schererei von ihm. Rot angelaufen, schnaubend, den einen Fuß stark lahmend, stapfte er hin und her. Er wollte es ihm zeigen, dem Filou und Schelmen mit seiner Gaunerei und schwarzen Kunst. Heiser noch und wütend diktierte er die Ordre, die die Untersuchung und genaue Prüfung der Rechnungen und Bücher des Finanzdirektors befahl.
    Und es lief der Hofkanzler, es liefen die Generäle, es lief der Portugiese, reckte über der Krause den dürren Hals, hackte zu mit dem entfleischten, blauroten Kopf. Eifrig hockten die Revisoren, schwitzend, vertieft, spähten durch die Brillen, ließen ihre Kiele rascheln übers Papier. Rechneten, luchsten, witterten. Bauten Säulen von Ziffern, Wälder von Ziffern. Schütteten sie aus, klaubten sie wieder zusammen. Spähten, schnüffelten, schwitzten.
    Unterdes raste auf gehetzten, auf jeder Station gewechselten Gäulen der Finanzdirektor nach Stuttgart. Diese Inquisition gegen ihn, dieser Stoß und Sturz war ihm ein Wink. Das Glück, das Fatum wollte gepackt, wollte gezwungen sein. Sowie man es nicht umklammerte mit allen Sinnen, sowie man nicht unverrückt Gemüt und Willen darauf richtete, lockerte es, löste es sich. Hätte das Gesindel in Stuttgart nicht seine Lässigkeit gespürt, nie hätten sie den frechen, plumpen Angriff gewagt.
    So war er in der ersten Wallung gleich nach der Meldung des Nicklas Pfäffle stürmisch aufgebrochen. Nicht sah er mehr das steinern massige Gesicht des Oheims, dachte mit keinem Gedanken mehr, ob aus den trübgrauen Augen Spott oder Gram auf ihn schaute, wischte flüchtig und rasch die Trauer des Mädchens aus seinem Sinn. Eines nur dachte er, zu Pferde, im Wagen, drehte es hin und her von allen Seiten: Was tun? Was jetzt tun? Dumm war ja, hirnrissig, was seine Gegner da gemacht hatten. Ihn für einen solchen Esel zu halten, daß man aus seinen Schriften ihm die geringste Unregelmäßigkeit nachweisen könnte! Tapsig sind diese Gojim, ohne Nase, ohne Witterung. Er mußte lächeln: Nein, zu denen gehörte er wirklich nicht.
    Er kalkulierte. Man wird also nichts finden. Was wird man dann tun? Eingestehen, daß man ihm unrecht getan hat? Niemals. Man wird bei irgendeiner formalen Niaiserie einhaken, ihm wegen eines an den Haaren herbeigezerrten Formfehlers einen sanften Verweis erteilen. Ihm ernster zu Leib zu gehen, hatte wohl auch Karl Alexander nie beabsichtigt. EineLektion wollte man ihm erteilen, ihm zeigen, daß er sich nicht zu sicher fühlen möge. Man wird es also bei einer milden Rüge bewenden lassen. Für ihn dann wäre das klügste, dem leicht gereizten Herzog äußerlich recht zu lassen, solchen sanften Tadel still einzustecken, dann aber die Affären fest mit beiden Händen zu packen, den Feinden heimzuzahlen, mit allen Mitteln sich in das katholische Projekt zu drängen.
    Da war es schon wieder: warum dann nicht gleich seine Geburt ausspielen?
    Nein, nein, das alles wäre dem früheren Süß angestanden. Wie er jetzt war, umsäumt mit Demut und Weltüberwindung, mußte er es anders halten. Wohl war dieser Einbruch der Feinde in seine Geschäfte und seine Papiere Wink und Zeichen. Aber nicht er ließ sich vom Glück auf die Probe stellen. Gefehlt! Er selber wird das Fatum zwingen, sich zu entschleiern, die festverschlossenen Lider aufzuschlagen.
    Klar formte sich ihm, während schon die Pferde in Sicht der Hauptstadt dahinhetzten, sein Entschluß. Jeder Schritt seines Weges, jedes Wort, das er sprechen wollte, lag deutlich vor ihm. Nicht klug sein wird er, nicht geschäftstüchtig, nicht politisch. Das Schicksal herausfordern wird er. Zum Herzog gehen, seine Entlassung verlangen. Gibt sie der Fürst, gut, dann hat das Fatum gesprochen. Resignieren wird er dann, in der Stille leben irgendwo, sich versenken wie sein Vater. Hält ihn der Herzog, dann, ja dann –: als der

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