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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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lächelte. Nein, nein, sie war heil geblieben, sie war nicht entstellt. Sie war glatt und glau und rank wie früher.Mit den kleinen, fleischigen Händen tastete sie, knetete sie an ihrem Leib. Oh, er war weich wie früher und doch fest. Mit den länglichen Augen prüfte sie ernsthaft und schonungslos den kleinen, eidechsenhaften Kopf im Glas. Die Beschwerden der langen Schwangerschaft, die wilden Qualen der Entbindung hatten keinen Zug und keine Zerrung hinterlassen. Klar und leicht und ohne Runzel rundete sich unter dem strahlend schwarzen Haar die Stirn, keine Falte schnitt von dem Backen herunter zu den sehr roten Lippen. Sie hob, die nackte Frau, mit halb hieratischer, halb obszöner Gebärde beide Arme eckig zum Kopf, daß das schwarze Gekräusel in den Achseln sichtbar war, und feucht atmend, lächelnd, schritt sie mit biegsamen Schritten, tanzend fast, durch das Zimmer. Oh, noch glitt sie wie fließendes Wasser über die Erde, noch spielten ihr gehorsam und wie von selbst alle Glieder schmiegsam ineinander. Und sie dehnte sich wellig und sie lächelte tiefer und der Tag lag blau und schwerlos vor ihr.
    Doch in der nächsten Nacht schon schlich die gleiche Angst sie an, kroch heran, umklammerte sie immer fester, atemklemmender. Und den andern Tag stand sie noch länger vor dem Spiegel, prüfte sie noch länger jede Biegung ihres Leibes, Fleisch und Haut. Eine krankhafte, grauenvolle Furcht vor dem Altern war in ihr. Es war nicht auszudenken, daß dieses Haar verfärben, diese Haut verrunzeln, dieses Fleisch vermürben sollte. Sie wird mühsam einherhumpeln, hüsteln, spucken, die Männer werden froh sein, wenn sie die zeremoniösen Handküsse und Konversationen hinter sich haben, die Frauen sie nicht beneiden. Ihre Augen schleierten sich, wenn sie es dachte; sie war vergiftet mit solchen Vorstellungen.
    Erwog sie, daß das Kind ihr Welken beschleunigte, so ärgerte sie sich über den Säugling. Er war ihr fremd, er war durchaus kein Teil von ihr, es war unbegreiflich, daß das da einmal in ihrem Leib sollte gewachsen sein. Es war ein großes, gesundes Kind, vom Vater hatte es die starke Nase, diewulstige Unterlippe; trotzdem sah es hübsch und geweckt aus. Man versicherte Marie Auguste, das Kind stehe ihr sehr gut, sie gebe als Mutter ein scharmantes und zärtliches Bild, aber sie konnte Tieferes für den Säugling nicht fühlen als etwa für den kleinen modischen Pinscher, von dem sie wußte, daß er hübsch aussah, wenn er unter dem Saum ihres weiten Rockes vorlugte.
    Ihr Tag war wie früher bis zum Rand gefüllt mit bunter, lärmvoller Heiterkeit. Aber sie war jetzt fahriger, nervöser. Herr von Riolles begann sie zu langweilen, auch war sie seinen spitzen Geistreicheleien nicht mehr recht gewachsen, der Jude war weniger amüsant und fügte sich nicht mehr so in jedes Spiel, Remchingen mit seinen plumpen Zoten widerte sie geradezu an. Dafür zog sie jetzt den Deputierten Johann Jaakob Moser in ihren Kreis und wandte alle Mittel an, die Omphale dieses stattlichen, pathetischen, feurig von sich überzeugten Publizisten zu werden.
    Für den Regierungsrat war das ein großes Glück. Wenn auch der Herzog und Süß, nobel genug, seine Niederlage still für sich ausgekostet und nichts davon weitergeschwatzt hatten, so war doch sein Selbstbewußtsein arg ramponiert. Jetzt unter dem Wohlgefallen und der Gunst der Herzogin richtete es sich auf wie gebeugtes Korn bei der rechten Witterung. Kotz Donner! Er mußte doch ein Kerl sein, wenn jemand wie Marie Auguste, in ganz Europa berühmt um ihre Schönheit, die erste Dame Deutschlands, ihm, dem Gegner, so offensichtlich ihre Huld zeigte. Den Krämerseelen im Parlament mochte es vielleicht nicht ganz eingehen, daß er, der Demokrat, der große Tyrannenhasser, soviel zu Hofe ging. Doch mochten diese Ärmlichen denken was immer: er fühlte sich Ulyß genug, der schwäbischen Circe zu widerstehen.
    Der imposante, wichtig sich habende, eitle Mann verbrachte also jede Stunde, die er durfte, bei der Herzogin. Er war bei ihrem Lever, er saß, war sie im Bad, auf den Holzbrettern, die, nur den Kopf freilassend, die Wanne bedeckten. Er deklamierte mühelos und feuervoll, die großen Augen seines massigenCäsarenkopfes blitzten, der Degen schwankte rhythmisch auf und ab, lang hinrollend flossen die Worte aus seinem Mund. So saß er, Schwabens Demosthenes, und sein mächtiger Schädel bebte, daß die Perücke stäubte. Er perorierte der Herzogin von allem Möglichen, er las ihr

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