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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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da niemand sich rührte, ins Haus. Der alte, gebrechliche Diener kam ihnen entgegen: was sie suchten? – Seinen Herrn. – Der sei nicht da. Empfange im übrigen auch niemanden, setzte er verdrießlich hinzu. So würden sie sich das Haus ein wenig anschauen, meinte Weißensee. Was ihnen beifalle, kläffte mürrisch der Diener. Sie sollten sich scheren. Hier habe niemand was zu suchen.
    »Maul halten!« schrie der zornige Major Röder. Doch der Alte wiederholte zäh keifend: »Niemand hat hier was zu suchen. Niemand hat hier zu befehlen, nur mein Herr.«
    »Und der Herzog von Württemberg«, sagte Karl Alexander. Und an dem erstarrten Diener vorbei gingen die Herren ins Zimmer. Beschauten scheu und spöttisch die Folianten, die Zeichnungen des kabbalistischen Baumes, des himmlischen Menschen, die seltsamen Inschriften. Tauschten über das magische Gewese und Gewerke ironische Anmerkungen aus. Doch der unheimliche Raum hemmte den gewohnten Lärm und machte sie bänglich und gedämpft.
    »Kotz Donner!« schrie plötzlich Karl Alexander in die Befangenheit hinein. »Wir sind hier doch in keiner Kirche. Den Wein, Neuffer! Wenn der alte Hexer nicht zu Haus ist, wollenwir sehen, ob wir seine Geister nicht durch ein gutes Glas Wein an unseren Tisch hexen können.«
    »Wollen wir nicht erst auch die anderen Stuben anschauen?« bat Weißensee. »Vielleicht spüren wir doch noch etwas auf!« Und seine feine, lange Nase schnupperte, und seine klugen, rastlosen Augen gingen in alle Winkel.
    Während Neuffer den Wein zurechtstellte, besah man die wenigen anderen Räume des kleinen Hauses. Vor einer Tür stand Jantje, die dicke, plappernde Zofe, sie suchte die Herren zurückzuhalten. Doch sie drängten sie beiseite und schoben sich ins Zimmer. Da saß im äußersten Winkel angstvoll, großäugig und abwehrend empört in östlicher Gewandung das Mädchen. Zurückprallten vor der Lieblichkeit des mattweißen Gesichts, des blauschwarzen Haars, der redenden, erfüllten Augen die Herren. »Daß dich der Langschwänzige!« fluchte halblaut der Herzog vor sich hin. »So was also hält sich mein Jud! So was versteckt er vor mir, der Filou! Möcht sich allein delektieren an dem Braten.«
    Noch immer war ein paar Schritte Raum zwischen dem Mädchen und den Herren. Ein Schweigen fiel ein. Naemi war aufgesprungen, stand hinter ihrem Sitz, zurückweichend ganz in die Ecke. Die Männer, gehalten durch das Fremdartige der Erscheinung, blieben in der Nähe der Tür, starrten.
    In die Stummheit hinein sagte höflich die geschmeidige Stimme des Konsistorialpräsidenten: »Die Demoiselle ist die Tochter des Herrn Finanzdirektors.« Und, auf die mundaufreißende Verblüffung der Herren, liebenswürdig lächelnd: »Ja, das war meine Überraschung.«
    »Kotz Donner! Kotz Donner!« sagte mehrmals hintereinander knarrend der Major Röder; sonst fiel ihm nichts ein. Doch der Herzog, aus seiner Überraschung zurück, enthusiasmiert, mit seinen großen blauen Augen an ihr fressend, erging sich geläufig in entzückten, modischen Bildern: »Ein Meisterstück das Mädel! Ein Kopf wie aus Ebenholz und Elfenbein. Wie eine Fabel aus Morgenland.« Gewandt stimmte der Geheimrat Schütz zu: Der Finanzdirektor sei ein Genie; aber das Produktseiner Lenden sei doch noch besser als alle Geburten seines Hirns.
    Weißensee schwieg. Und hätte doch, der feine Kenner, dem Herzog zu Dank das Mädchen besser preisen können als dieser selbst zusamt dem trockenen Schütz und dem plumpen Röder, der kein anderes Kompliment fand als sein rülpsendes »Kotz Donner! Kotz Donner!« Doch Weißensee stand stumm. Er schaute nur das Mädchen an, schaute es auf und ab, ein tieferes Lächeln um seine genießerischen Lippen. Ei ja, mein Herr Geheimrat Finanzienrat, gewiß doch, diese war wohl ein Kleinod und sehr wert, gehütet zu sein. Achtes Weltwunder! Hebräische Venus! Augen hat sie wie aus dem Alten Testament. Und sieht nicht aus, als wäre sie nur lieblich anzuschauen. Zu der Magdalen Sibylle kamen die Apostel und sprachen zu ihr. Zu dieser mögen die Propheten kommen. Sie waren schlauer als ich, Herr Finanzdirektor; aber doch nicht schlau genug. Hätten sie noch ferner und heimlicher müssen hüten. Voilà! Jetzt werden wir sehen, was Sie für kurioses Gesicht ziehen.
    Mittlerweile hatten die anderen ferners von dem Mädchen groß Rühmens gemacht. Selbst Herr von Röder fand ein Weiteres und sagte: »Wer hätte dem alten Fuchs solch Junges zugetraut?« Naemi aber stand in ihrer

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