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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Ecke, den ganzen Leib gespannt in Scheu und Abwehr, und schaute auf die Männer. »Wie heißt Sie denn, Demoiselle?« fragte jetzt der Herzog. Und, da sie nicht antwortete: »Sulamit? Salomea? Sollen Wir jemandes Kopf zu Ihren Füßen legen?«
    Doch Naemi schwieg weiter, sich windend in fast leiblichem Schmerz vor Widerwillen und Scheu. »Vom Vater hat sie sie nicht, diese Schüchternheit«, konstatierte Herr von Schütz. Aber der Major von Röder fuhr grob und ungeduldig auf das Kind her: »Gib Antwort, Judenbalg, wenn dein Herzog dich fragt.«
    »Halt’s Maul, Röder!« sagte Karl Alexander. Und zu der Verschreckten, in ihre Ecke sich Pressenden, freundlich wie zu einem Kind: »Ich tu dir nichts, ich freß dich nicht. Gemslein, verschüchtertes! Mimosa! Sei Sie nicht so zimpferlich!«
    Jantje, die Zofe, hatte sich mittlerweile neben das Mädchen geschoben, dick und gutmütig stand sie neben ihr, in heller Angst und Ratlosigkeit. »Ich bin wirklich dein Landesherr«, fuhr leicht ungeduldig Karl Alexander fort, »dein und deines Vaters wohlaffektionierter Herzog und Herr. Und jetzt sag endlich, wie du heißt!«
    »Die Demoiselle heißt Naemi«, sagte statt ihrer die Zofe. »Nun wissen wir’s also«, grunzte befriedigt Röder. »Naemi, komischer Name!« und pruschte heraus. Aber der Herzog befahl: »Komm Sie her, Naemi! Küsse Sie Ihrem Landesvater die Hand!« Die Zofe sprach auf das Kind ein, schob sie sanft vor. Langsam, die Augen am Boden, und wie gezogen schritt sie, und mit gierigen Blicken, fröhlich gespannt, schaute Weißensee zu.
    Sie gingen in die Studierstube, trinken. Zwangen das Kind, ihnen Bescheid zu tun. An den Wänden blühte der kabbalistische Baum, ketteten sich blockige Buchstaben und verwirrende Bildzeichen, schaute starr der himmlische Mensch. Das Kind nippte. Doch weiter war sie nicht zu halten. Sie floh, schloß in ihr Zimmer sich ein, überschauert, zitternd den ganzen Leib und eiskalt.
    In der Studierstube aber, unter den Trinkenden, konstatierte Herr von Schütz, auf die magischen Bilder weisend: »Zuerst hat es hier nach Judenschul und Kirchhof gerochen. Jetzt riecht es nach Paris hier und nach Parfüm und nach ›Mercure galant‹, und die ganze Gespensterluft ist weg. Merkwürdig, wie ein bißchen frisches Weiberfleisch den gelehrtesten Magus um sein Prestige bringt.«
    Man brach auf. Röder und Schütz voraus, dann der Herzog mit Weißensee, als letzter Neuffer. Der schwere Herzog stützte sich vertraulich auf den feinen, schlanken Weißensee. »Das hat Er schlau gemacht«, freute er sich. »Da werden wir noch lang unseren Spaß haben. So ein Heimlicher und Duckmäuser, mein Jud. Na, wir werden ihn frotzeln, daß er soll rot und blaß werden.«
    So aber lag es nicht in der Absicht Weißensees. Jetzt fortgehenund den Juden ein weniges aufziehen, was war da groß? Darum hatte er sich nicht die Mühe gemacht. Der Jud war schlau, der Jud wußte, was er an dem Kind hatte. Er wird sie außer Landes schicken, fernab, jedenfalls wird er sie nicht an den Hof bringen wie er, Weißensee. Der Jud war gewitzt; und selbst wenn es ihn kitzelte, der Jud hatte den Magus, der ihn hielt. Ging aber der Herzog jetzt, dann war er kein zweites Mal nach Hirsau zu bringen. Dann mußte des Weißensee große, verzehrende Neugier auf immer ungestillt bleiben.
    Der Kirchenratsdirektor sah das Kind vor sich, in die Ecke gepreßt, die großen Augen in dem mattweißen Gesicht verschüchtert, angewidert, und ein streichelndes, zärtliches Gefühl kam über ihn. Aber dieses Gefühl zerstäubte in der wilden, zerreißenden Neugier, die ihn ganz anfüllte, ihm süß beklemmend die Eingeweide heraufkroch, den Atem schnürte.
    Er verlangsamte den Schritt, bat den Herzog, er solle sich nicht überanstrengen, riet, kleine Rast zu machen. Neuffer hatte noch Wein, Weißensee bediente den Herzog. Der trank. Weißensee lenkte immer von neuem die Rede auf das Mädchen; mit seiner höflichen, geschmeidigen Stimme, in halben Worten, sehr kennerisch, rühmte er ihre Reize, wie jung und doch reif sie sei. In solcher Blüte seien diese Jüdinnen schön und einzigartig, über allen Frauen, kühles Feuer wie südlicher Wein. Doch diese Blüte daure sehr kurz, dann seien sie welk und zum Abscheu. So müßten sie genommen werden, so, scheu und heiß wie die; wer der den Schaum abtrinke, der habe ein seltenes Glück gekostet und das ihm bleiben werde seiner Tage.
    So träufelte er sein feines Gift in den Herzog. Karl Alexander trank,

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