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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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männlich kühnen Wangen, die blauen, starken Augen in dem seltsamen Widerspiel zu dem dunklen Haar. Wieviel Licht, ach, und Hoffnung hatte er gesogen aus diesem Gesicht! Wie trüb und frostig war es erloschen!
    In dem Raum, der noch erfüllt war von seinen Erwartungen, von seiner Arbeit an dem Bibelkommentar und von den Träumen des Mädchens, soff und grölte jetzt mit seinen Kumpanen der vergnügte Herzog. Karl Alexander fühlte sich jung, frisch, sauwohl. Er hatte den grünen Rock weit offen, das Wams gelüftet, das blonde, melierte Haar frei. Das war ein blitzgescheiter Gedanke gewesen, hierher zur Jagd zu gehen. In Stuttgart und Ludwigsburg standen die Affären vortrefflich, das katholische Projekt marschierte mit guter Chance. Dazu das neue Mensch an der Oper, die Ilonka, die ihm vortrefflich anschlug; man hätte sie eigentlich können mitnehmen. Aber nein, es war doch besser so. Tags nur Wind ins Gesicht, abends Wein und gutes, kräftiges Männergespräch. Keine Weiber! Keine Politik! Kein Parlamentsgesindel! Wie war man jung! Man spürte, mille tonnerre!, nichts von seinen Fünfzig. Wie konnte man noch lachen und an nichts als einem bißchen Wald und einem guten Schuß seine Lust haben.
    Der Neuffer ging auf und ab und schenkte Wein ein. Im Dämmer, außerhalb des Lichtkreises der Lampe, hockte stumm der Schwarzbraune. Karl Alexander trank stark, streckte die Beine vor sich, lachte dröhnend über die plumpen Zoten Röders, die feinen Weißensees, über die sehr schweinischen Anekdoten, die Herr von Schütz vornehm und untermischt mit vielem Französisch hernäselte. Erzählte dann selber, Geschichten aus dem Feldlager, Aventüren aus seiner Venezianer Zeit.
    Mit ingrimmiger Lust hörte Weißensee zu. Wenn man es recht überlegte, war der Jude daran schuld, daß er jetzt mit dieser Roheit und stumpfem Gewäsch seine weißen Stuben verschmutzen mußte. Ei nun, wenn man was wissen wollte, wenn man neugierig war, dann mußte man wohl zahlen für solche Neugier. Aber lohnen wird es, es wird lohnen!
    Als die Herren zu Bett gingen, schwer vom Wein, sagte Weißensee dem Herzog, er habe für den morgigen Nachmittag eine Surprise bereit. Er rate submissest, man solle ausschlafen morgen, dann gut tafeln, und dann werde er Seine Durchlaucht in den Wald führen und seine feine Überraschung vorzeigen. »Weißensee!« lachte der Herzog. »Alter Fuchs! Exzellenz! Präsident! Ich bin zufrieden mit Ihm. Er weiß für jeden Tag was Neues. Er ist ein sehr brauchbarer Prälat.« Und er klopfte ihm auf die Schulter und torkelte in sein Schlafzimmer.
    Anderentags, dampfend vom vielen Essen, dunstend von den alten Weinen des sachkundigen Weißensee, fuhr man. Erst die Landstraße entlang, dann abzweigend einen Karrenweg. Ließ hier den Wagen zurück, folgte einem Fußpfad, stand schließlich vor einem starken, sehr hohen Holzzaun. Bäume sperrten den Blick weiter.
    Da standen nun die Männer vor dem Zaun. Föhn ging. Der Wein war ihnen noch nicht verflogen. Sie schnauften, schwitzten, rissen Witze. Dahinter stecke also die Überraschung; ob es denn lohne; ob Weißensee nichts verraten wolle. Der bat, sie möchten die Mühe nicht scheuen, kletterte voran über den Zaun. Sie folgten prustend, mühsam. Drangen weiter, neugierig, angeregt, amüsiert.
    Gelangten an die Blumenterrassen, den weißen Würfel des Hauses. Standen, staunten. Wirre Vorstellungen zuckten auf in Karl Alexander: Venedig, Belgrad. Doch keiner wußte mit dem weißen, fremdartigen Ding mitten in dem schwäbischen Wald was anzufangen.
    »Das Haus gehört dem Magus«, sagte Weißensee, »dem Oheim des Herrn Finanzdirektors.« Verblüffte, großäugig dumme Gesichter. Ein leicht übler Nachgeschmack des Weinesstieg dem Herzog auf, er fühlte sich plötzlich schwerer, spürte den lahmenden Fuß, den schlechten, holperichten Weg durch den Wald. Mit einer schleierigen Befangenheit schaute er auf das Haus, in einem vagen Gefühl, als blickten daraus steinerne, trübgraue Augen auf ihn. »Dem Magus? So?« sagte er dann mit einer heiseren, belegten Stimme. »Ei freilich ist das eine Surprise.«
    »Das ist nicht alles«, lächelte Weißensee mit feinem, breitgezogenem, genießerischem Mund. »Befehlen Euer Durchlaucht, daß wir näher treten?«
    Karl Alexander riß sich zusammen, räusperte sich frei. »Der alte Hexer ist mir ohnehin noch einen Bescheid schuldig«, lärmte er. »Scheuchen wir den Schuhu in seinem Gemäuer auf.«
    Näher traten die Herren, pochten, gingen,

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