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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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der Professor Schöpf, folgte ihm. Der Präsident der Kommission, der Geheimrat Gaisberg, kam allein zu Süß, haute ihm auf die Schulter, sagte in seiner barschen, jovialen Art: »Was macht Er uns und sich das Leben sauer, Jud? Daß Er auf dem Schinderkarren muß zur Hölle fahren, ist sicher. Nehm Er nicht zuviel Gepäck mit! Leg Er ein anständiges Geständnis ab!« Süß lächelte, ging auf seinen Ton ein, meinte schließlich, höher, als der Galgen sei, könnten sie ihn doch nicht hängen. Er spielte mit dem plumpen, gemütlichen Grobian,warf ihm Dinge hin, daß der schon glaubte, zupacken zu können, entzog sich ihm wieder, höflich lächelnd, ließ ihn mit langhängender Zunge stehen.
    Auch die anderen versuchten, jeder für sich, ihr Glück an dem geschmeidigen Sünder. Sie besuchten ihn immer wieder, beschlichen ihn, redeten ihm gut zu, bedrohten ihn. Süß, aus seiner jenseitigen Sicherheit heraus, trieb ein fast sportliches Spiel mit ihnen, voll mildspöttischer, kopfwiegender Überlegenheit. Wie aus einem andern Erdteil, wie aus einem späteren Säkulum schaute er seinem Prozeß zu, amüsierte sich still über die Herren, ihre Besonderheiten, ihre Kniffe und Listen, ihn zu fangen. Die Armen! Wie sie sich abmühten, jagten, schwitzten! Wie sie schnüffelten, hetzten, besessen auf den Weg stierten, von dem sie glaubten, er führe hinauf. Karriere! Karriere! Und wie neugierig sie alle waren, und wie ganz fern und ohne einen Schimmer Lichtes sie ihn beschauten, wie ohne Gefühl sie ihn betasteten, ohne Witterung ihn berochen. Dabei war der eine oder andere guten Willens, gewann im Lauf der langen Untersuchung sogar ein gewisses Wohlwollen für den Mann, der sicher ein Spitzbub, aber mit seinem behenden Witz, seiner scharfen Geistigkeit etwas sehr Ungewohntes, Aufrüttelndes war. Mit fast zärtlichem Spott sah Süß, wie sogar die beiden Sekretäre kamen, jung, dumm, schlau, streberisch, ihr Glück und ihre Geschicklichkeit an ihm zu versuchen. Die Armen, Stumpfherzigen! Süß ließ sie an sich heraufklettern wie junge Hunde und streifte sie dann sanft und lässig wieder ab.
    Alle waren diese Männer mäßig begabt. Mäßig begabt von Haus aus war auch der Geheimrat Johann Christoph Pflug, der Treiber und Hebel der Untersuchungskommission. Doch ihm schärfte Judenhaß den Witz, machte ihn spürsinnig. Wäre der ehemalige Süß in der Zelle gewesen, es hätte ihm die Seele zerfressen, wieviel tausend Nuancen der hagere, scharfe, bittere Herr erfand, ihn Ekel und Verachtung spüren zu lassen. Herr von Pflug atmete nur mit Überwindung den Dunstkreis des Juden, er fühlte leiblichen Widerwillen, Übelkeit,wenn er die Zelle betrat. Aber er hielt es für seine Pflicht, diesen Verkommenen, diesen Schlechtesten der Menschen immer neu zu demütigen, seine Menschenwürde zu zerfetzen, in der Schmach dieses Halunken herumzustochern. Daß ihm dies nicht gelang, machte ihn elend, erschöpft verließ er die Zelle, um doch immer wiederzukommen. Süß schaute ihm höhnisch und mit Erbarmnis zu. Hätte der adelsstolze Herr erfahren, daß der verworfene Jud und Lump den Heydersdorff zum Vater hatte, den Feldmarschall und Baron, seine ganze Welt wäre zusammengestürzt.
    Kein Advokat gab sich freiwillig dazu her, die Sache des Juden zu führen. Seine Verurteilung stand fest. Man gefährdete bei solchem Handel höchstens das eigene Weiterkommen. So mußte das Gericht dem Angeklagten einen Verteidiger stellen. Die Kommission dotierte dieses Amt sehr reich, immer aus dem konfiszierten Vermögen des Finanzdirektors, und betraute damit einen Mann aus den herrschenden Parlamentarierfamilien, den Hofgerichtsadvokaten Lizentiaten Michael Andreas Mögling. Der mußte sich also nach Stuttgart setzen und die Verteidigungsschrift abfassen, wofür er ungewöhnlich hohe Diäten bezog. Man legte ihm nahe, er solle sich nicht anstrengen, alle Welt wußte, daß diese Verteidigungsaktion eine leere Geste war. Aber der Lizentiat Mögling, ein treuherziger Blonder mit rosigem, rundem, freundlich fettem Knabengesicht, war ein redlicher Mensch, er ließ sich nichts schenken, nahm seine Sache verflucht ernst, lief, schwitzte, schrieb. Die Herren des Inquisitionsgerichts lächelten, wenn sie ihn sahen, der Jude selber lächelte. Man erschwerte dem guten Menschen seine Arbeit sehr. Wichtige Aktenstücke wurden ihm vorenthalten, die Protokolle der einzelnen Verhöre ihm geradezu verweigert. Während man sonst den Süß kaum hinderte, ungestört Besuche

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