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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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wird den Kujonen kleinkriegen, wird dem Saujuden Respekt beibringen vor einem schwäbischen Gerichtshof.
    Man hielt ihn härter, brachte ihn aus der Botmäßigkeit des freundlichen Kommandanten von Hohenneuffen. Überführte ihn in strenge Haft auf den Asperg. Hier regierte der Major Glaser, ein pedantischer Mann, dessen Atem Disziplin war. Süß wurde in ein enges, feuchtes Loch gesperrt. Der Tag war hier nicht viel anders als die Nacht, die Kleider stanken in der nassen, modrigen Luft, faulten am Leib. Er erhielt keine Lagerstatt, der Boden war nackt, kalt, bucklig, naß. Er wurde auf Wasser und Brot gesetzt, durch viele Stunden kreuzweis geschlossen. Dicke Ratten trippelten widrig über seinen verrenkten Leib, und er konnte ihnen nicht wehren.
    Sein kastanienbraunes Haar verfärbte sich, seine weiche, geschmeidige Haut runzelte sich fahl, und graue, häßliche Stoppeln wuchsen aus den früher so straffen, glatten Wangen. Er ließ wohl seinen Wärtern gegenüber viele böse Worte von sich fließen, Flüche und Verwünschungen, wehrte sich auch körperlich, wenn man ihn krumm schloß. Doch wenn er allein saß, hungernd, die Glieder in Tortur verzerrt, hustend, frierend, dann sahen die Wärter, die durch den Türspalt lauerten, ihn manchmal sonderbar zufrieden den Kopf wiegen, sie hörten wohl auch, wie er vor sich hin sprach, mit häßlicher Stimme vor sich hin summte. Manchmal schien es, als spräche er mit einem zweiten, er nickte jemandem zu, wartete Antworten ab, gab Gegenrede. Es war aber niemand in der Zelle außer den Ratten. Die Wärter stießen sich an, grinsten, pruschten heraus, fingen an, ihn für gestört und irrsinnig zu halten.
    Er war aber durchaus nicht irrsinnig. Es war dies. Er hatte Stunden so voll Ruhe, daß er jenseits des Hungers war und jenseits des Frostes und jenseits der ziehenden, zerrenden Schmerzen des gewaltsam verrenkten Körpers. Dann verwandelte sich ihm wohl das Rascheln der Ratten sogar in eine kleine, liebliche Stimme, und er sprach und erhielt Antwort und konnte gut lächeln.
    Ein zäher Kampf begann zwischen ihm und dem Major Glaser. Dem Major hatte man gesagt, es komme alles darauf an, den Juden zum Bekenntnis der Weiber zu bringen, mit denen er Umgang gehabt; dann könne man ihn gebührend hinrichten, diese Wanze vor aller Augen zerquetschen. Der Major verhörte also den Juden täglich zwischen neun und zehn Uhr. Süß gestand zu, hohe und niedere Damen profitiert zu haben. Der Major sagte, das genüge nicht, er müsse Namen haben. Süß: er als Offizier müsse doch verstehen, daß er die Namen nicht und nie nennen werde. Der Major: was einem christlichen Offizier anstehe, zieme sich nicht für einen stinkigen Juden, und behandelte den Verstockten immer härter.
    Süß legte es durchaus nicht darauf an, heroisch zu erscheinen. Er hatte nach Perioden lächelnder Resignation Wutanfälle und Depressionen. Es überkam ihn etwa solcher Ekel vor seinen übelriechenden, modrigen Kleidern, daß er sie abwarf, nackt herumlief; der Kommandant ließ ihm die Kleider mit Gewalt wieder anlegen. Der Major referierte über jede Regung des Gefangenen pedantisch genau an Herrn von Pflug mit einer erbitterten Sachlichkeit. Berichtete, weilen der Hebräer, die Bestie, von dem Wärter Hofmann Gift nicht habe erhalten können, habe er, sie für giftig ästimierend, sich die Nägel abgebissen und die Nägelabstöße verschluckt. Hätten alle weidlich gelacht über den Blödkopf. Oder, seit vier Tagen habe der Hebräer, die Bestie, nicht eines Kreuzers wert genossen und ihn in Sorge gestellt, er möchte liegenbleiben und krepieren. Heute speise er wieder, so daß er also wieder Hoffnung habe, ihn lebendig zum Galgen schicken zu können.
    In arger Schwäche klagte Süß wohl auch, ob man denn nicht genug an seinem Vermögen habe, sondern ihn dazu auf so ruchlose Art ums Leben bringen wolle. Ein andermal meinte er listig, man könne ihm ja gar nichts anhaben, das alles sei eine stupide Farce, er wette fünfzigtausend Gulden, daß er nun bald frei werde. Einmal auch, unter johlender, schenkelschlagender Heiterkeit seiner Wärter, befahl er, drohte, tobte, man solle ihn sofort freilassen, das sei sein gutes Recht, er müsse nach Stuttgart, um nach seiner Haushaltung zu sehen. Der Kommandant kümmerte sich um das alles durchaus nicht, berichtete nur jedes Wort an Herrn von Pflug, verhörte den Delinquenten täglich zwischen neun und zehn Uhr, fragte nach den Namen der Weiber, wobei immer die gleichen

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