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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Verächtlich ging er vorbei an edlen Teppichen, Möbeln, Bildern, Nippes. Gerade von den kostbaren Steinen, nach denen sein Herz und seine Finger hungerten, war nichts da. Behutsam und mißtrauisch forschte er Nicklas Pfäffle aus; unbewegt, phlegmatisch antwortete der blasse, fette Mensch. Der Portugiese wurde drohend, aber seine modrige Stimme glitt wirkungslos ab an dem Gleichmut des Sekretärs. Schließlich verhaftete man Nicklas Pfäffle, forschte ihn peinlich aus, durchschnüffelte seine Korrespondenz. Man fand nichts und mußte den langsamen, schweigsamen, unbewegten Burschen bald wieder freilassen.
    Süß wurde zunächst auf die Festung Hohenneuffen gebracht und dort nicht schlecht gehalten. Er wurde auf eigene Kosten reichlich und nach seinem Geschmack verpflegt, durfte Besuchempfangen, sich nach Belieben Garderobe und Hausrat bringen lassen. Er machte von diesen Freiheiten nicht übermäßigen Gebrauch. Er war gern und viel allein. Dann ging er wohl auf und ab, vergnügt, schmunzelnd fast, unmelodisch vor sich hin brummend, den Kopf geruhsam listig hin und her wiegend wie ein alter Kaftanjude. Ei, wie war es gut und lieblich, in Ruhe zu sein und zuzuschauen. Rings um ihn zappelten sie sich ab. Die einen zappelten sich ab, um ihn möglichst tief zu ducken und einzutauchen, er selber zappelte, um ihnen zu entwischen, wieder an die Luft zu kommen. Hoho! Mochten sie zupacken, mochten sie ihn fangen! Die Narren die! Sie wußten nicht, daß das gar nicht er selber war, der da zappelte, den sie haschen wollten. Daß das der alte Süß war, der törichte, unwissende Süß, der noch nicht gelernt und erkannt hatte. Der wirkliche Süß, der neue Süß, hoho! – er lachte in einem wilden, hohnvollen Behagen –, der war jenseits aller Lebenszappelei, den fing kein Herzog, kein Kaiser, kein Gericht.
    So hatte es die Kommission nicht eben leicht, die konstituiert war, um die vielen arglistigen, gottlosen, landesverderblichen Gewalttaten und Streiche zu untersuchen, die Josef Süß Oppenheimer, Jud und gewester Finanzienrat, mit seinen Genossen verübt hatte. Es war eine gewichtige Untersuchungskommission. An ihrer Spitze stand der Geheimrat von Gaisberg, Bruder des Generals, ein im Grunde träger Mann, der allen Dingen mit einer gewissen jovialen Barschheit beizukommen suchte; Beisitzer waren der Geheimrat von Pflug, ein hagerer, bitterer, hochmütiger Herr, angefüllt von Haß und Ekel gegen die Juden, die Professoren Harpprecht und Schöpf, die Regierungsräte Faber, Dann, Renz, Jäger, strebsame, karrierebeflissene Beamte in mittleren Jahren; Sekretäre waren der Assessor Bardili und der Aktuarius Gabler. Es bestand für diese Kommission kein Zweifel, daß Süß eine ganze Reihe todeswürdiger Verbrechen begangen hatte. Aber es zeigte sich bald, daß man ihm streng juristisch wenig anhaben konnte. Die Hauptschwierigkeit, ihn nach den Gesetzenzu verurteilen, lag darin, daß er nicht vereidigter Beamter, ja nicht einmal Staatsuntertan war. Er hatte lediglich unter dem Titel eines Geheimen Finanzienrats völlig als Privatperson dem Herzog Ratschläge erteilt. Wenn die vereidigten Minister und Räte diese verderberischen Projekte ausführten, so waren sie die Hochverräter, nicht er. So verzettelte sich die Untersuchung in der Prüfung von tausend Einzelheiten, aus denen man die Möglichkeit der Verurteilung zu konstruieren suchte. Man verzögerte die Inquisition, schleppte sie endlos hin. Warum auch sollten die Richter Eile haben? Man fühlte sich so angenehm wichtig in dieser Untersuchungskommission. Alle Bekannten fragten einen: »Nun, was habt ihr wieder Neues aus dem Juden herausgekriegt?« Es waren gewissermaßen die Augen des ganzen schwäbischen Kreises auf einen gerichtet. Dann war auch die Teilnahme an der Kommission mit sehr hohen Extrabezügen verbunden, die natürlich aus dem beschlagnahmten Vermögen des Angeklagten bezahlt wurden. Vor allem den strebsamen Beamten in mittleren Jahren kamen diese Sondereinnahmen sehr gelegen.
    Die Herren verhörten Süß bald einzeln, bald in korporativen Sitzungen. Man inquirierte auf Münzverbrechen, Majestätsverbrechen, Hochverrat. Der biedere, streng rechtliche Professor Harpprecht, überzeugt, daß Süß ein Schuft, aber im Sinn des Gesetzes nicht schuldig sei, angewidert von dem Bestreben, den Juden haftbar zu machen für Verbrechen, für die andere rechtlich einzustehen hatten, zog sich bald zurück, beschränkte sich darauf, die Akten zu begutachten; sein Kollege,

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