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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Heimlichkeiten wird man zu hören kriegen, die man für den Augenblick gar nicht zu nutzen braucht, die man aber nach Gutdünken später verwerten kann. Wie ein spanisches Inquisitionsgericht war man mächtig und unheimlich, wie der verborgene Rat der Republik Venedig. Das zog an, das juckte, das lockte. Was wird man für verschlossene, vielsagende Gesichter machen können! Wie viele werden einen ängstlich demütig umschleichen, beklommen lauernd, ob man sie packen oder gnädig übersehen wird. Und wie viele pikante Details wird man erfahren, mit denen man einen Freund und Bruder, Frau oder Geliebte vertraulich erfreuen, später einem fröhlichen Zecherkreis Gaudium und Schall und Gelächter bieten kann. Ein leises Schmunzeln zog über das grob joviale Gesicht des Geheimrats Gaisberg, die jüngeren Herren ließen die Mienen schlaff werden und sich entspannen, senkten halb die Lider, blinzelten. Man beschloß nach dem Vorschlag des Herrn von Pflug.
    Süß wurde zuerst in einer Plenarsitzung über diesen Punkt vernommen. Die Professoren Schöpf und Harpprecht waren ferngeblieben. Süß war beleibter geworden, weniger straff, der Rücken runder. Sein Gesicht schien breiter, seine braunen Augen waren weniger gewölbt, langsamer, milder. In die Stirne begannen sich über der Nasenwurzel Furchen einzuzacken. Seine Bewegungen waren sachter, es war eine milde und listige Ruhe um ihn.
    Als man ihn fragte, ob er fleischlichen Umgang mit Christinnen gehabt habe, schaute er die Richter zunächst verwundert an. Das Gesetz, das solchen Verkehr mit dem Tode bestrafte, war ihm nicht gegenwärtig, so außer Übung war es. Er hielt die Frage für höhnische Neugier, lediglich bestimmt, ihn auf irgendeine Art zu demütigen, wußte nicht, worauf man hinauswollte, schwieg. Der Geheimrat von Gaisberg drängte ungestüm weiter, er solle keine Faxen machen, sondern unverweilt die Menscher herzählen, mit denen er geschlafen habe. Der Jude sah die Herren aufmerksam an, glittmit wägendem Blick von einem zum andern, sagte sachlich, ohne Spott, er vermöge durchaus nicht einzusehen, was das solle mit Hochverrat und Münzfälschung zu tun haben. Scharf fuhr ihn Herr von Pflug an, das sei ihre, der Richter, Sache, er möge seine jüdische Frechheit zähmen.
    Süß stand, wiegte den Kopf, überlegte. Da fiel ihm jener Artikel des Reichskriminalgesetzes ein, den man seit Jahrhunderten nicht ernst genommen, den man ihm vielleicht gelegentlich im Scherz zitiert hatte. Was? Mit dieser alten, rostigen Karnevalswaffe wollte man ihn hinmetzgen, auf solche Narrenweise sollte er sterben? Mit einem war der alte, glänzende Süß wieder da. Er straffte sich, schickte rasche, fliegende Blicke über die Richter, sagte schlank, höhnisch: »Daß ich mit christlichen Frauen geschlafen hab, leugn ich nicht. Wenn die Herren mich darum wollen zum Tod verurteilen, mögen sie es. Das ganze Römische Reich wird lachen. Nicht über mich.« Während die Empörten auf ihn losfuhren, über seine Frechheit keifend, grölend, durcheinanderschreiend, stand Süß kalt, unbewegt. Er sah seine Richter. Den tierischen, triumphierenden Haß, die Lüsternheit, die Grausamkeit, die geblähte Eitelkeit. Das freche, kalte, erpresserische Spiel, das mit den Frauen getrieben werden sollte. Er sah die menschlichen Masken abfallen, die nackten Fratzen darunter, Wölfe und Säue. Doch ehe sein geballter Zorn ausbrach, hatte er ihn schon hinter sich, Erbarmnis überkam ihn mit den Armseligen, Bösartigen da vor ihm. Das alte, milde, listige Lächeln auf den Lippen, sagte er: »Die Namen nenne ich nicht. Da müssen sich die Herren die Damen schon selber zusammensuchen.«
    Die Richter, sogar die gutmütigeren und bisher wohlwollenden, ärgerten sich über ihn bis zur Erbitterung. Daß der Jude vielleicht aus Rücksicht auf die Frauen die Namen verschweigen könnte, den Gedanken ließen sie nicht hochkommen in sich selber. Denn es war doch ausgeschlossen, daß sie, die hochmögenden Herren, weniger kavaliersmäßig sein sollten als ein Jud, daß der Jude nobler sein sollte als etwa einwürttembergischer Geheimrat. Nein, es war pure Bosheit und Verstocktheit von dem Halunken, eine Art jüdischen Geizes, daß er sie, die ein verbrieftes Recht darauf hatten, nicht an seinen Bettfreuden teilhaben lassen, ihnen die Namen verbergen wollte. Man hatte es sich schon so fein ausgemalt, die Sensation, den Kitzel, alles Drum und Dran, und nun wollte er es einem aus purer Bosheit verhunzen. Aber man

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