Jud Sueß
geworden in der Schule der Jesuiten, mit wildem Eifer auf sein Studium. Der schwäbische Prinz aber stand, verständnislos lachend, in dem Wirbel; was er packte, entglitt ihm; so hielt er sich an das rauschende, glänzende Leben der Gesellschaften, Redouten, Klubs, an Theater, Spielsäle und Bordelle. Die jungen Jesuiten amüsierten sich herzlich über sein soldatisch naives Geradezu, gewannen ihn aufrichtig lieb wie einen gutmütigen, großen, täppischen Hund und setzten ihren Ehrgeiz darein, den unraffinierten, liebenswerten Menschen ungefährdet durch die Strudel des wilden und bedenklichen venezianischen Lebens zu steuern. Mit feinem Lächeln bestaunten die jungen Diplomaten der Kirche soviel laute Harmlosigkeit, soviel gläubiges, lustiges, vertrauensseliges Im-Kreise-Plätschern. Das gab es also noch. Da ging einer herum, machte Visiten, tanzte, spielte, liebte in den Kreisen der Staatsmänner, und alles ohne Zweck, er dachte offenbar gar nicht daran, Karriere zu machen. Und sie faßten zu ihm eine offene, leicht überlegene Zuneigung.
Auf solcher Basis gründete die Freundschaft des Prinzen mit den beiden Jesuiten. Die waren jetzt Prälaten geworden, gefürchtet, standen mitteninne in allen Fragen der großen Politik. Er, der Prinz, saß draußen an der Ostgrenze des Reiches, ein tapferer und berühmter General, von den Herren, die die deutschen Geschicke machten, leicht und wohlwollend belächelt. Er spürte nichts von diesem Lächeln, er ging behaglich und geradeaus seine Straße, und was ihn kratzte, das war allein sein Geldmangel.
In Würzburg, bei Tafel, auch der Fürstabt von Einsiedeln hatte sich eingefunden, sprach er offen mit den beiden Freunden über seine Bedrängnis. Kein Geld, freche Gläubiger, es war eine ewige Kalamität. Man hatte scharf gegessen und sich heiß getrunken, die Kirchenfürsten lüfteten sich, der Prinz knöpfte die Uniform auf.
Der Bischof hatte das Prinzip, eine Antwort niemals auf der Stelle zu geben. Er versprach, den Fall zu überdenken.
Die Prälaten, nachdem sich der Prinz zurückgezogen, saßen im Park, schauten von beschattetem Sitz auf Stadt und Weinberge. Man wird dem Prinzen helfen, natürlich; es war ja sehr leicht, ihm zu helfen. Vielleicht könnte man ihm helfen und zugleich der guten Sache dienlich sein. Sie schauten sich an, lächelten, sie dachten beide das gleiche. Sie hatten dem Prinzen oft in Venedig, in Wien, jetzt in Würzburg katholische Messen gezeigt, sich gefreut über seine naive Begeisterung an Glanz und Weihrauch. Ein kleiner Prinz aus einer Nebenlinie, es stand so viel zwischen ihm und dem Thron, es war keine große Angelegenheit; immerhin, wenn ein Glied des stockprotestantischen württembergischen Hauses für Rom gewonnen würde, der Ordensgeneral würde den Erfolg buchen, ohne ihn zu überschätzen.
Die Arbeit durfte natürlich nicht plump gemacht werden. Kunstgerecht, mit feinen Fäden. Es mußte sich alles geben wie von selbst. Die beiden geübten Herren verständigten sich mit halben Worten; es war ja so leicht, ein vorgezeichneter Weg. Man wird Karl Alexander zunächst an protestantische Stellen weisen, an seinen Vetter etwa, den Herzog, der war durch die Gräfin beansprucht, an die Landschaft, die war kleinherzig, knauserig; man könnte ja für alle Fälle nachhelfen, daß sie bestimmt ablehne. Der Fürstbischof hatte einen Herrn an seinem Hof, den Geheimrat Fichtel, Spezialisten in allen schwäbischen Dingen, der wird das sicher zu Rande bringen. Wenn dann der Prinz eingeklemmt sitzt, kahl, naiv erbittert über die evangelische Filzigkeit, dann läßt man eine katholische Prinzessin auftauchen, die reiche Regensburgerinetwa, die Thurn und Taxis, und die Kirche empfängt den Bekehrten mit Gold und Weihrauch und Gloria.
Ruhevoll und wohlwollend, mit halben, lässigen Worten, spannen die beiden Prälaten das Projekt; von dem beschatteten Sitz im Park, Eis schlürfend, schauten sie auf die schöne Stadt und die besonnten Weinberge.
Der Fürstbischof half somit Karl Alexander mit einer kleinen Summe aus, und der Prinz richtete, um für zwei, drei Jahre aus dem Gröbsten zu sein, ein Ersuchen an die württembergische Landschaft, seine Apanage zu erhöhen oder ihm wenigstens einen größeren Vorschuß darauf zu geben. Das Schriftstück war von dem Geheimrat Fichtel klug und umständlich formuliert, so daß dem Prinzen der Erfolg so gut wie gesichert schien.
Und nun saß er also in Wildbad, mit der gewissen Aussicht auf das Geld, in
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