Jud Sueß
abschätzig und mit gutmütigem Mitleid Kutsche und Livree. »Ein armer Schlucker, der Herr Feldmarschall. Ich sag Euch, Reb Josef Süß, nicht gut für zweitausend Taler.«
Der Prinz war in heiterster Laune. Er war jetzt drei Jahre nicht mehr im westlichen Deutschland gewesen, hatte lang unter den Heiden und Halbwilden seines Gouvernements Serbien gelebt, sich mit Tod und Teufel herumgehaut. So atmete der reife Mann, fünfundvierzig war er geworden, mit Behagen die heimatliche Luft.
Nach der langen Fahrt nahm er zunächst ein Bad, ließ sich von seinem Leibhusaren Neuffer den lahmenden Fuß – ein Andenken an die Schlacht von Cassano – mit Essenzen reiben, saß am Fenster, im Schlafrock, vergnügt, mit dem Kammerdiener plaudernd, während der Schwarzbraune auf dem Boden hockte.
Er war weidlich umgetrieben worden. Von seinem zwölften Jahr an war er Soldat, hatte in Deutschland gefochten, in Italien, den Niederlanden, in Ungarn und Serbien. Nächst dem Prinzen Eugen, den er herzlich verehrte, war er der erste General im Reich. Er hatte in Venedig und Wien die hohe Kavaliersschule durchgemacht, und seine stattliche Tenue, sein gutmütiger, etwas lärmender Humor waren beliebt bei Frauen, beim Wein, auf der Jagd. Was ein kleiner deutscher Prinz aus einer Nebenlinie erreichen konnte, das hatte er erreicht. Intimus des Prinzen Eugen, Wirklicher Geheimer Rat, Kaiserlicher Feldmarschall, Oberbefehlshaber in Belgrad und im Königreich Serbien, Inhaber von zwei kaiserlichen Regimentern, Ritter des Goldenen Vlieses.
In Belgrad war ein ewiger Wirbel von Offizieren und Weibern um ihn. Er fühlte sich wohl in dem unordentlichen Leben, dessen dürftige Regelung von Neuffer, dem Leibhusaren, und dem Schwarzbraunen besorgt ward und das die Belgrader Burg in ein Feldlager verwandelte. Er verdankte die serbische Statthalterschaft seinem Freunde, dem Prinzen Eugen. Er führte auch die militärischen Sicherungen dort unten so durch,daß man seine Methoden als Lehrbeispiele in allen Kriegsakademien rühmte. Und was die Verwaltung anlangte – Kreuztürken!, hier ließ er sich freilich oft mehr von seinem Impuls leiten als von Sachverstand: aber in dem gefährdeten Gebiet war ein Mann, auch wenn er manchmal sich verhaute, wertvoller als irgendein pergamentener Esel vom Hofkriegsrat in Wien.
Wenn den vergnügten, lebensvollen Soldaten eine Sorge ankroch, dann war es immer die nämliche: Geld. Sein Sold war gering, seine prinzliche Apanage lächerlich. Und er konnte nicht knausern. Da saß er als kaiserlicher Statthalter zwischen geschwollenen ungarischen Baronen und Paschas des Großherrn, die strotzten von allen Reichtümern der Königin von Saba. Er war nicht anspruchsvoll, er hatte schon gelebt wie der gemeinste Soldat, Dreck gefressen, daß alle Därme sich umkehrten, auf vereistem Kot geschlafen. Aber er konnte seine Kumpane nicht an leere Tafeln setzen, seine Weiber nicht in Lumpen laufen lassen, seinen Marstall nicht mit Schindmähren füllen.
Am Wiener Hof hatte man nur halbes Ohr für solche Klagen und Achselzucken. Gott, wenn es der Prinz nicht machen wollte, in den Erblanden gab es Herren und Reichlinge genug, die sich nach dem stolzen Posten des serbischen Statthalters sehnten und gern bereit waren, die Repräsentation aus eigener Tasche zu bestreiten. Die Wiener Bankiers hatten dem Prinzen gelegentlich mit kleinen Summen ausgeholfen; jetzt waren sie schwierig, beinahe unverschämt.
Ernsthafte Teilnahme fand er erst in Würzburg, beim Fürstbischof. Er kannte den dicken, lustigen Herrn seit langem, seit den frühen Jahren in Venedig. Dort hatten sie, der Prinz, der jetzige Fürstbischof und Johann Eusebius, jetzt Fürstabt in Einsiedeln in der Schweiz, gute Freundschaft geschlossen. Die drei jungen Herren, alle drei kleine Nebenäste großer Häuser, waren in Venedig, Leben und Politik zu lernen. Die alternde Republik, längst auf dem Abstieg, hielt, eine Kokotte, die nicht Schluß machen kann, noch immer dieAllüren einer Weltmacht fest, hatte Gesandtschaften an allen Höfen, die Signoria zweigte über Europa und die neue Welt ein Netz von Intrigen, krampfhaft den Schein großer, lebendiger Politik wahrend. Gerade weil die Maschine leer lief, funktionierte sie um so besser, und der ganze junge Adel Europas studierte in den staatsmännischen Zirkeln der Republik die Routine der hohen Diplomatie.
Die beiden jungen Weltgeistlichen bewunderten sachverständig diesen vollendeten Mechanismus und warfen sich, groß
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