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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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heiterster Laune. Gewelltes Land, freundlich bewaldet, schaute zu den Fenstern seines Zimmers herein. Er fühlte sich durch das Bad und die Massage des lahmenden Fußes wohlig erfrischt, der Ort schien ihm nach dem Schmutz und der Schlamperei serbischer und ungarischer Dörfer doppelt artig und sauber, und er erwartete gute Zeit. Während er so behaglich zum Fenster hinausschaute und sich von Neuffer rasieren ließ, kam ein Heiduck der Prinzessin von Kurland mit einer verbindlichen Einladung zu einem Kostümfest, einer Wirtschaft, die die Prinzessin anderentags veranstalten wollte. Karl Alexander hatte kein Kostüm, Neuffer befragte den Wirt, der meinte, der Hof- und Kriegsfaktor Josef Süß Oppenheimer werde vielleicht aushelfen können. Oppenheimer? Gegen den Juden hatte der Prinz nichts einzuwenden, ein so scheeles Gesicht der Kammerdiener zog. Aber Oppenheimer hießen die Wiener Bankiers, die ihn so schlecht behandelt hatten. Doch mittlerweile war der beflissene Wirt schon bei Süß gewesen, und jetzt brachte er ein sehr passendes ungarisches Bauernkostüm, das Neuffer mit leichter Mühe für die Statur des Prinzen zurechtschneidern konnte. Karl Alexander schickte dem Süß durch Neuffer einen Dukaten, den Süß dem Neufferals Trinkgeld gab. Der Prinz wußte nicht, sollte er den Juden prügeln, sollte er lachen. Da er guter Laune war, entschied er sich zu lachen.
    Auf dem Fest war die Neugier und die Bewunderung aller um ihn. Die Prinzessin, als ländliche Wirtin gekleidet, sah frischer und reizvoller aus, als er von der Alternden erwartet hätte, und strahlte ihm Wohlgefallen und Neigung entgegen, deutlicher, als selbst die Freiheit des Maskenfestes es erlaubte. Er hatte eine Wirtschaft noch nie gesehen – solcher Mummenschanz war erst vor einem halben Jahr am Dresdener Hofe aufgekommen –, die bäuerlichen Kleider, das grobianische, dörfische Wesen, das zu zeigen man sich mühte, die ganze derbe Luft dieses Abends behagte ihm. Er schwamm in der Achtung der Männer, in der koketten Anbietung der Frauen fröhlich herum. Dann trat man zu einem kleinen Zug an, paarweise, und ein Tübinger Professor und Poet im Kostüm eines Scherenschleifers begrüßte jedes Paar mit saftigen Reimen, deren lustiger Unflat mit Jubel und Gegröl aufgenommen wurde. Selbst der hochmütige sächsische Minister bekam sauer lächelnd seine Fuhre Mist ab, nur der junge Lord Suffolk, in einem prachtvollen römischen Kostüm, wollte zufahren, doch er wurde bedeutet. Des Prinzen Dame war die Wirtin, die Kurländerin. Ihn begrüßte der Reimschmied ernsthafter und nannte ihn unter dem Jubel der Gäste den württembergischen Alexander, den schwäbischen Skanderbeg, den deutschen Achill.
    Es fiel Karl Alexander auf, daß alle Gäste ihr Sprüchlein abbekamen, nur einer nicht. Es war ein jüngerer Herr, sehr gut gewachsen, er trug wie ein paar andere eine Halbmaske. Das Kostüm des Florentiner Gärtners hatte er vermutlich mit der Dame verabredet, deren riesiger, bebänderter Strohhut seiner Tracht entsprach, der Tochter des Gesandten der Generalstaaten. Er schien nicht weiter erstaunt, daß man ihn von dem Vorbeizug der Paare an dem Reimschmied ausschloß, er nahm diese offensichtliche Mißachtung in guter Haltung hin, lehnte bescheiden in einem Fenster, sah zu. DerPrinz erkundigte sich nach dem Herrn. Achselzucken: es war der Jud, der Frankfurter Faktor, Josef Süß Oppenheimer.
    Ach, das war ja der, der in seinem Gasthof wohnte, der ihm das nette Kostüm geliehen hat, der mit dem Dukaten. Der Prinz hat getrunken, ist gut aufgelegt. Man könnte dem Juden eigentlich ein paar Worte sagen, er lehnt da so bescheiden und allein. Vielleicht auch wird man ihn aufziehen, seinen Spaß mit ihm haben. Der Prinz geht auf Süß zu, viele Blicke folgen ihm: »Weiß Er, Jud, daß ich Ihn fast geprügelt hätte, mit Seinem Dukaten?« Süß nimmt sogleich die Maske ab, neigt sich, lächelt, schaut dem Prinzen von unten her mit einer gewissen schmeichlerischen Frechheit ins Gesicht: »Da wär man nicht in schlechter Kompanie. Wenn ich recht weiß, hat auch der Großwesir des Padischah von Eurer Hoheit Prügel gekriegt und der Marschall von Frankreich.« Der Prinz lacht schallend: »Hör Er, Er weiß Seine Worte zu setzen, als hätt Er’s in Versailles gelernt.« Die Florentinerin drängt sich herzu, eifrig: »Er war auch in Versailles, Hoheit.« Und Süß, bescheiden prahlend: »Ja, ich kenne den Marschall, der die Prügel gekriegt hat. Er spricht mit

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