Jud Sueß
größtem Respekt von Eurer Hoheit. Ich kenne auch Freunde Eurer Hoheit. Den erhabenen Prinzen von Savoyen.«
»Ah, Er gehört zu den Wiener Oppenheimers?« fragte Karl Alexander interessiert. »Nur ein Vetter dritten Grades«, erwiderte der Jude. »Aber die Wiener mag ich nicht, sie haben nicht den rechten inneren Sinn für die großen Herren. Sie denken nur an ihre Ziffern.«
»Er gefällt mir, Jud«, und der Prinz schlug ihm die Achsel und nickte ihm zu, ehe er, einen Kopf größer als die meisten, wieder auf den Ring der Gäste zutrat, die sie umstanden.
Karl Alexander trank, tanzte, sagte den Frauen derbe Galanterien. Später saß er am Spieltisch, Gewinn und Verlust lauter kommentierend, als es Sitte war. Die Bank hielt der junge Lord Suffolk, steif, zeremoniös, schweigsam, mit sparsamen Gesten. Der Prinz gewann, ringsum verlor man. Schließlich hielt er allein dem Engländer Widerpart, heiß, mit etwas benommenemKopf. Verlor plötzlich in wenigen Schlägen alles, was er hatte. Lachte, zu sich kommend, ein wenig unfrei. Ringsum ein Kreis gespannter Zuschauer. Man glaubte, der Engländer werde Kredit anbieten. Aber der saß, höflich, korrekt, stumm vor dem erhitzten, verlegenen Prinzen. Wartete. Plötzlich stand Süß halb hinter ihm, schmiegsam, gewandt, leise: wenn Seine Hoheit ihm die hohe Ehre vergönnen wolle. Der Prinz nahm an, gewann.
Bevor er ging, sagte er dem Juden, er habe dem Neuffer Auftrag gegeben, ihn beim Lever vorzulassen.
Süß stand verneigt, hoch atmend, küßte die Hand des Prinzen.
Isaak Landauer arbeitete mit Süß an den Geschäften der Gräfin. Die Energie der Gräfin, ihre Zähigkeit in dem Kampf um den Herzog würdigte er mit vielen Sympathien, und er mühte sich, ihren Handel möglichst schlau und sachgerecht zu Ende zu führen. Mit einer Berechnung, die Süß staunende Hochachtung abzwang, wußte er die schärfsten Gegner der Gräfin in dieses große Anleihegeschäft hereinzuziehen, so daß gerade ihre Feinde an der Erhaltung der gräflichen Güter geldlich interessiert waren. Sosehr Süß das geschäftliche Genie Landauers bewunderte, schränkte er dennoch seine Zusammenkünfte mit ihm nach Möglichkeit ein. Er fand, daß der Alte ihn vor dem Prinzen kompromittiere. Der lachte schallend über Kaftan und Löckchen, fragte gelegentlich den Süß, ob er nicht einmal seinem Freund den Neuffer schicken solle, daß er ihm die Perücke kämme. Landauer wiederum wiegte den Kopf, lächelte: »Ihr könnt doch sonst rechnen, Reb Josef Süß. Was steckt Ihr Zeit und Geld in den Schlucker, der nicht gut ist für zweitausend Taler?«
Süß wäre um eine Antwort verlegen gewesen. Gewiß, er sah in dem Prinzen das Ideal aristokratischer Haltung. Die Selbstverständlichkeit, die Sicherheit, mit der er sich gab, das Lärmende, Herrenhafte bei aller Gutmütigkeit, das fürstlich Ausfüllende bei der Dürftigkeit der Mittel imponierte ihm. Aberdas war schließlich keine Erklärung. Es hatten ihm auch andere gefallen und imponiert, deshalb steckte man doch noch lange kein Geld in einen so unsicheren Kunden. Was ihn zu dem Prinzen trieb, war ein Anderes, Tieferes. Süß war gemeinhin kein Spieler. Aber er war gewiß, Glück war eine Eigenschaft. Wer jenes heimliche Wissen nicht besaß, jene Gabe, auf Augenblicke zu wissen, untrüglich, unumstößlich, dies oder jenes Unternehmen, dieser Würfel, dieser Mensch bringt Glück, der mochte von den Geschäften die Hand lassen, auf jeden Aufstieg im Leben verzichten. Und untrügliche Witterung band ihn an Karl Alexander. Der Prinz war sein Schiff. Das Schiff mochte abgetakelt aussehen jetzt, dürftig, nicht verlockend, kluge Finanzleute wie Isaak Landauer mochten die Nase rümpfen. Aber er, Süß, wußte, daß dies sein Schiff war, und er vertraute sich diesem unansehnlichen Schiff an, ohne Bedingung und mit allem, was er war und was er hatte.
Karl Alexander behandelte ihn vertraulicher als sonst große Herren, um ihn je nach Laune um so brutaler auszulachen. Keinen Morgen fehlte Süß beim Lever. Einmal, Neuffer ließ ihn ohne weiteres zu, kuschte sich erschreckt ein Mädchen unter die Decke. Der Feldmarschall, während der Braunschwarze ihn mit Kübeln Wassers übergoß, prustete lachend, sie solle sich vor dem Beschnittenen nicht genieren, und verlegen und beglückt tauchte in den Kissen die junge Aufwärterin auf, mit der auch Süß geschlafen hatte.
Süß nahm die Vertraulichkeiten des Feldmarschalls als Geschenke hin und ließ sich seine
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