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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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zurücktauchte, sehr selten nur, in einem Zwischenraum von Jahren wieder am Tag.
    »Das Kind ist jetzt vierzehn Jahr«, sagte endlich Rabbi Gabriel. »Es macht sich seinen Vater aus meinem Wort. Es istnicht gut, wenn dann die Wirklichkeit und mein Wort so auseinanderklafft. Ich bin wie der Heidenprophet Bileam«, fuhr der Kabbalist fort mit einem mißgelaunten Lächeln, »ich sollte fluchen, wenn ich ihr von dir spreche, und ich muß segnen. Ich werde sie also ins Land bringen«, schloß er, »daß sie dich sieht.«
    Süß erschrak strudelnd tief. Das Kind! Da saß dieser Mann vor ihm, ganz gleichmütig, und sagte ihm einfach: Ich werfe dein Leben um. Ich setze mitten in dein Leben voll Glanz und Frauen und Wirbel das Kind, die Tochter, Naemi. Ich hebe dein Leben aus den Angeln, ich reiße die Kapsel auf, ich reiße dein Herz aus den Angeln.
    »Ich bleibe noch hier«, sagte der Kabbalist, »dich aus der Nähe zu beschauen. Wann ich sie bringe, wohin, wie, das sage ich dir noch.«
    Als Rabbi Gabriel gegangen war, saß der andere in Wut und Wirrsal. Als kleiner Junge nicht einmal hatte er sich so schelten und dumm machen lassen. Aber er wird es dem Alten sagen, er wird schon die rechten Worte finden, er wird ihm schon dienen, dem alten Hexer in seinem schäbigen, unmodernen Rock.
    Aber tief innen wußte er, daß er das nächste Mal genauso stumm und klein sitzen wird wie jetzt.
    In Schloß Freudenthal stand vor der Gräfin ihre Mutter, ein gewaltiger Fleischkloß, der sich nur mit Mühe fortbewegen konnte. Erdiges Bauerngesicht unter eisgrauem Haar, äugte die Uralte mit harten, gierigen Blicken die Oberaufsicht über Schloß und Gut, Dienerschaft und Bauern schindend, Geld raffend, langsam, gierig, unersättlich.
    Aufgelöst tobte, jammerte die Gräfin: »Aus, Mutter, es ist aus! Davongejagt. Des Hofs verwiesen. Er küßt die alte dürre Gans in Stuttgart, und alle Welt schaut zu. Er will ihr ein Kind machen. Davongejagt. Nach dreißig Jahren davongejagt wie eine Hure, die nicht fürs Bett getaugt hat.«
    »Knet ihn, Tochter«, rief mit röchelnd tiefer, heisererStimme die Alte. »Laß ihn bluten. Hat’s ihn Geld gekostet, wie er heiß war, laß es ihn mehr kosten, wenn er kalt wird. Knet ihn! Walz ihn aus, bis kein Heller mehr herausgeht.«
    »Und Friedrich hat dazu geraten!« empörte sich die Gräfin – Friedrich Wilhelm war ihr Bruder. »Gib’s ihm, Mutter! Zeig’s ihm! Mach ihn klein! Schlag ihn!«
    »Ich werde ihn kommen lassen, ich werde hören, ich werd’s ihm zeigen«, versprach die Alte. »Aber das ist nicht wichtig«, schloß sie und saß da, quellend von Fett, kolossig wie ein asiatischer Götze, das erdfarbene Gesicht strotzend unter dem eisgrauen Haar. »Du hast Wagen hergeschickt mit Sachen. Das ist gut, Tochter. Schick mehr. Schick außer Landes. Haben, das ist es. Besitzen. Geld haben, Sachen haben. Das andere ist nicht wichtig.«
    Die Gräfin wartete, verzehrte sich. Isaak Landauer kam, berichtete, brachte Papiere. Alles Geldliche lief glatt, glänzend. Sie fragte nach dem Kabbalisten. Ja, der war jetzt auf dem Wege nach Wildbad. Es war schwer, ihn zu dirigieren. Ihro Exzellenz möge sich gedulden, in zwei, drei Wochen werde er ihn in Freudenthal haben.
    Kaum war der Alte weg, kam die Nachricht von der Zusammenkunft des herzoglichen Paares in Teinach. Es war groß und feierlich zugegangen wie bei einem Beilager. Die verschlissene Elisabeth Charlotte hatte sich und ihre Hofdamen – dies Kuriositätenkabinett von Vogelscheuchen, höhnte die Gräfin – neu und kostbar gekleidet. Die Gesandten der Höfe, die sich um die Herzogin verdient gemacht, waren zugezogen worden, das ganze Kabinett; ihr Bruder, der Gräfin Bruder!, der Schuft, der glatte, giftig züngelnde, hielt eine Rede bei der Festtafel. Auch der engere Ausschuß des Parlaments war geladen. Die Hofkapelle spielte:
    »Der itzt den Feind vertrieben,
    Nun danket Gott nach großer Not!«,
    und ihr Bruder, ihr Bruder!, stand dabei, barhaupt und fromm, und Schütz senkte ergriffen die Hakennase. Am ersten Abendgab es Ballett: »Die Heimkehr des Odysseus.« Ah, wie mochten sie alle gegrinst haben, als die böse Circe sich in den Feuerberg stürzte, und wie mochten sich die zähen alten Hofschneppen die Triefaugen wischen, als die fromme Penelope am Spinnrocken saß. Aber sie konnten warten, sie konnten noch lange warten, bis sie sich in den Feuerberg stürzen wird. Dann zog sich das herzogliche Paar zurück, und vor der Tür des Schlafgemachs

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