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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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spielte das italienische Quartett während der Beiwohnung. Guten Appetit, Lux! Schmeckt’s? So was hast du lange nicht gehabt. Spieß dich nicht auf den Knochen! Am zweiten Tag gab es Feuerwerk, prasselnde Raketen schrieben die Initialen der Herzogin flammend an den Himmel, das Volk, den Wanst gestopft mit kostenlosen herzoglichen Würsten, die Blase voll kostenlosen herzoglichen Weins – da ihre Aufsicht fehlte, wird der Kellerer um etwa hundertachtzig Gulden betrügen –, schnupfte gerührt hinauf und grölte: Es lebe die Herzogin!
    Als die Gräfin die Meldung erhalten hatte, schloß sie sich ein und schrieb. Den Brief schickte sie durch einen Kurier nach Stuttgart. Er ging an den Kammerdiener des Herzogs, enthielt eine Anweisung auf dreihundert Gulden und das Versprechen weiterer achthundert, falls er ihr vom Blut des Herzogs verschaffe.
    Dieser Brief war übereilt und töricht, und schon wenige Stunden, nachdem der Kurier abgegangen, bereute die Gräfin. Niemals hatte sie dergleichen schriftlich aus der Hand gegeben. Zum erstenmal, daß sie sinnlose Wut nicht hatte zu Ende toben lassen, ehe sie handelte. Auch Isaak Landauer war schuld mit seinem verflucht zögernden Kabbalisten.
    Als der Kammerdiener Eberhard Ludwigs den Brief erhalten hatte, rechnete er. Vor dem Fest in Teinach wäre er wahrscheinlich noch der Gräfin zu Willen gewesen. Jetzt nach dem Teinacher Zeremoniell war es ausgemacht, daß die Gräfin nichts mehr zu hoffen hatte. Es waren also von ihr die achthundert Gulden herauszuholen, vielleicht ein paar Hundert mehr, und sonst nichts. Der Herzog hinwiederum wollte vorder Gräfin Ruhe haben, er wäre sicher dankbar für einen Vorwand, sie aus dem Lande zu jagen. Es war also klar, wo der Vorteil lag. Der Kammerdiener ging somit zu dem Präsidenten der Landschaft, ließ sich von dem für seine Tapferkeit tausend Gulden zahlen und übergab den Brief dem Herzog.
    Eberhard Ludwig stand, der schwere, dumpfblütige Mann, einen Augenblick starr gebunden vor dem Unfaßlichen. Winkte dann dem Diener heftig Entfernung, schluckte, keuchte, stapfte auf und nieder, schnaubte durch die Nase. Jedes Blutteilchen gor dunkle Wut. Er war also betrogen. Er, er!, der Herzog war dreißig Jahre von einer verfluchten Hexe und Vettel betrogen. Die andern, die Bürgerkanaille, die greinenden Pfeffersäcke von der Landschaft, die kahl und dürr predigenden Pfaffen vom Konsistorium, der schäbige Preußenkönig, die ewig beleidigte, zitronensaure Johanna Elisabetha, sie hatten recht, sie hatten dreißig Jahre, dreißig Jahre!, recht gehabt gegen ihn, den Herzog.
    Mord und Marter! Er hat Frauen gehabt von allen Sorten, blonde, schwarze, kastanienfarbene. Hat sich in kleine, spitze Brüste vergafft und in mächtige, schwimmende, in massige Hüften und in knabenhaft gestraffte, in feine, lange, braunglänzende Schenkel und in weiche, rosig-fette. Er hat müde, schlaffe, lässige Weiber gehabt und rasende, die das Mark aus den Knochen holten bis auf den letzten Zoll. Haben sich Weiber in ihn vernarrt ohne Zahl, herrliche, üppige, umstrittene. Er ist ja auch, Teufel noch eins, ein Kerl in Saft und Schuß und steht in aller Gloria dieser Welt. Haben sich an ihn gehängt mit Herz und Schoß und allem Blut, haben erlöst gestöhnt unter seinem Griff. Waren bessere, Kreuztürken, waren bessere dabei als die Christl. Aber er hat sich an keine verloren. Er hat sie gehabt und hat gelacht und ist darüber weg.
    Daß ihm gerade die Christl so im Blut stak, dieses dumpfe Verhaftetsein und Beklommenheit und Nicht-Wegkönnen, natürlich war das nicht mit rechten Dingen zugegangen. Und er hat’s nicht gemerkt und saß mit dem Gift und verruchtenZauber im Leib. Oh, oh! Das Hurenmensch, das vermaledeite! Die Zeilen jenes Protokolls krochen auf ihn zu, wandelten sich in fratzenhafte, scheusälige Bilder. Die schwarze Kuh mit dem abgehauenen Kopf, der Bock mit den abgeschnittenen Hoden. Sie mochte sich wohl eine Puppe von ihm gemacht haben, einen Teraph, sein Herz und lebendiges Blut in das Bild hineinzuzaubern, und der Satan, der neunschwänzige, mochte wissen, was für verfluchte und unflätige Hantierung sie mit dem Gebannten getrieben.
    Aber jetzt war er ihr auf das Handwerk gekommen. Jetzt war es aus mit allem Zauber und vermaledeiter Hexerei. Er wird ihr zeigen, daß er auch den letzten Tropfen ausgeschwitzt von ihrem Höllengift und Satanstrank.
    Er schrieb, siegelte, befahl Räte, Offiziere. Ein hastiges, heimliches, wichtiges Gewese hub

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