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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Männer, die auf eigene Faust zettelten? Die Nachbarn des Weißensee und des Neuffer rückten fast unmerklich ein wenig von ihnen ab.
    Mittlerweile stellte sich der andere Neuffer, jetzt Minister, im Kriegskommissariat vor, verlangte auf Grund herzoglicher Vollmacht ein Detachement Soldaten, erhielt sie nach Anfrage bei der Landschaft. Drang, noch lag der alte Herzog nicht unter der Erde, im Ministerrat ein, verhaftete im Namen Karl Alexanders die Häupter der Grävenitzschen Partei, ließ die Knirschenden, mit allen Himmels- und Höllendrohungen Protestierenden auf den Hohentwiel schaffen. In Haft Friedrich Wilhelm, der Bruder der Gräfin, der eiskalte, der seine Schwester aus der Politik ausgeschaltet hatte, sich um so fester zu setzen, Oberhofmarschall und Ministerpräsident, inHaft seine beiden Söhne, der Oberstallmeister und der Konferenzminister. Aufgehoben auch ihre kleinen Mitläufer und Kreaturen, der Kirchenratsdirektor Pfeil, der geheime Referendar Pfau, die Regierungsräte Vollmann und Scheid und die zahlreichen Subalternen ihres Anhangs. Wie sie sich gespreizt hatten! Wie sie groß und hochnäsig getan hatten und kaum gedankt, wenn man sie grüßte. Jetzt saßen sie in der Zelle und in dicker Finsternis, und kein Hahn krähte nach ihnen.
    Dann wartete Neuffer der Herzogin auf, teilte der aus Staub und Gram Aufleuchtenden, Triumphierenden das Geschehene mit. Ließ durch Herold und durch Anschlag bekanntgeben, daß Karl Alexander die Herrschaft übernommen habe, binnen kurzem von Belgrad eintreffen werde, gegen ungetreue Beamte, so für eigenen Vorteil das Volk bedrückten, bereits habe vorgehen lassen, alle Freiheiten, insbesondere der Religion, fürsorglich schon im vorhinein mit fürstlich wahren und treuen Worten bestätigt habe.
    Jubel im Volk. Das war ein Fürst. Der griff zu ohne Ansehen der Person. Genau wie auf dem Bild, wo er Belgrad erstürmt. Bänder her, Tannenreiser her, das Bild zu bekränzen! Ein Herr und Held. Mit dem wird man gut fahren.
    In der Nähe von Hirsau führte von der Landstraße ab ein Karrenweg. Von dem Karrenweg ab zweigte ein Fußpfad, verlor sich in Wald, hörte ganz auf vor einem starken, sehr hohen Holzzaun. Bäume sperrten den Blick weiter. Von den Einheimischen hatte nur ein Gärtner Zutritt und ein alter Taglöhner, der Botengänge besorgte, beide mürrische Männer, die Ausfrager stehenließen. Man wußte nur, daß ein Holländer das verfallene kleine Haus von den Erben des früheren Besitzers erworben hatte. Den Behörden war er als Mynheer Gabriel Oppenheimer van Straaten gemeldet, er hatte den großen Paß der Generalstaaten. Der Kauf war in aller Form vollzogen, allen Anforderungen der Polizei- und Rentämter wurde mit peinlicher Gewissenhaftigkeit genügt. Der Holländer wohnte dort mit einem sehr jungen Mädchen, einer Zofe, einem Diener.Man erzählte eine merkwürdige Geschichte von einem Strolch, der einen Einbruch in dem einsamen Haus versucht hatte. Er sei abgefaßt, überwältigt worden. Der Holländer habe ihm nichts getan, den Abgebrühten, Höhnenden nur eine Nacht über in ein Zimmer mit Büchern gesperrt. Schlotternd, tief verwirrt sei der Strolch anderntags durch den Wald getorkelt, habe die Gegend für immer verlassen.
    Gerüchte flogen auf, der Holländer sei der Ewige Jude, verstummten wieder. Er hielt sich fern vom Ort, machte einsame Spaziergänge, gewöhnlich im Wald, selten bekam man ihn zu Gesicht. Schließlich gewöhnte man sich an ihn. Da war nun eben ein Zaun mit gewaltigen Bäumen, und dahinter wohnte der Holländer, und wenn er verbotene Dinge trieb, so tat er das zumindest sehr still und ohne jemand zu molestieren.
    Nun lebte aber in Hirsau jener Magister Jaakob Polykarp Schober, der dort das Bibelkollegium abhielt, an dem auch Magdalen Sibylle teilnahm. Der junge, etwas fette, pausbäckige Mensch, der still vor sich hin trieb und lange, sinnierende Spaziergänge liebte, geriet auf einem solchen Spaziergang, halb unwillkürlich einem Vogel folgend, der ihn von Baum zu Baum lockte, an den hohen Zaun, überkletterte ihn ohne viel Gedanken und ohne besondere Mühe, durchschritt den Wall der hohen Bäume, stand plötzlich am Rand einer Lichtung und sah, inmitten von Tulpen und terrassenförmig steigenden Beeten anderer ihm unbekannter, sorglich gezüchteter Blumen, das Haus des Holländers. Es stach fremdartig, ein blendend weißer, kleiner Würfel, in die pralle Sonne. Vor dem Haus aber war ein primitives Sonnenzelt aufgeschlagen, und

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