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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sich halten, um nicht dreinzufahren, nicht plötzlich laut und verdrießlich zu gähnen. Er kam aus einer Umarmung, er spürte noch in allen Poren die sanfte, warme Haut des dunkelblonden Geschöpfs, er hörte noch ihr hemmungsloses, stilles, verströmendes Geflenn, das ihm Gesicht, Arme, Brust feuchtete, er war erfüllt von einem schlaffen, rohen Grinsen. Sehr anstößig schien es den Herren von der Landschaft, wie er mit belegter, heiserer Stimme – eine Nachwirkung des Genusses, aus dem er kam – asthmatisch, empörend gleichgültig und mit den Gedanken offensichtlich wo ganz anders die feierliche Eidesformel nachsprach. »Ich konfirmier und bestätige bei meinen fürstlich wahren Worten mit gutem, reifem Vorbedacht und aus freiwilligem Herzen.« Und das klang, als sage er seinem Kammerdiener, das Rasierwasser sei nicht warm genug.
    Gedrückt und voll Besorgnis entfernten sich die Abgeordneten. Hätte er sie beschimpft wie der verlebte Fürst, der Eberhard Ludwig, wäre er mit unflätigem Gekeife über sie hergefallen wie jener, dagegen hätte man viel leichter aufkommen können als gegen diese formlos verächtliche, verblüffend nonchalante Manier. Wie er sie hatte warten lassen wie lästig lumpige Bettler! Wie gleichgültig er, mit gelangweiltem Gerülpse, die Akte beschworen hatte! O schöne Freiheit! Man wird noch hart für dich kämpfen müssen. O süße Macht der herrschenden Familien, man wird viel Ärger und Verdruß haben, dich zu wahren.
    Karl Alexander, nachdem die Abgeordneten fort waren,streckte sich, warf sich in einen Sessel, war vergnügt. Denen hatte er es gegeben. Wie sie sich wegschlichen, die Schwänze eingezogen. Er schnaubte durch die Nase, sehr zufrieden mit sich. Ein guter Anfang, ein guter Tag. Erst dem sanften Heinrich Friedrich eins versetzt, dem Duckmäuser, dem Aufmucker, und dann das freche, filzige, schwitzende Pöbelpack heimgeschickt, begossen, würgend an dem hinuntergefressenen Verdruß.
    Er entließ auch die Minister, schmunzelte, sie verabschiedend, zu Süß: »Hab noch was zu trösten, was Blondes, Flennendes. Hat Gusto, der Duckmäuser, mehr Gusto, als ich ihm zugetraut.« Lachte schallend und schlug den geschmeichelten Süß auf die Schulter.
    »Ich will selbst regieren«, sagte er zu einer Stuttgarter Deputation. »Ich will selbst mein Volk hören und ihm helfen.« Eine Flut von Bittschriften brach herein, mit eigener Hand nahm er sie. »Ich will dir und mir helfen«, sagte er einem Bittenden. Ins ganze Land ließ er ergehen, er werde sich durch keine Mühe und Schwierigkeit von dem, was zu wahrer Aufnahme und Flor des Herzogtums gereichen werde, abhalten lassen, werde sorgen, daß in allen Stücken ohne Schleich, Intrigen und Verwicklungen nach der altberühmten württembergischen Treu und Redlichkeit gehandelt werde. Wer immer eine Beschwerde in solchen Stücken gegen einen Beamten habe oder sonst in diesem Behuf ein Anliegen, möge es umständlich zu Papier bringen und ihm, dem Herzog, zu eigenen Händen kommen lassen.
    Drei Sonntage nacheinander wurde dieser Wille des neuen Herrn von allen Kanzeln des Landes verlesen; gedruckt war er angeschlagen am Rathaus jeder Gemeinde. Es jubelte das Volk: das war ein Fürst; der ließ nicht durch seine Kanzlei regieren, der regierte selbst. Wie Schnee im Mai schmolzen die Grävenitzischen. Machten sich fort, wurden verbannt, auf Festung gesetzt. Der treibt unsere Treiber hinwiederum ein! schmunzelten die Bauern. Auf blühte an dem Sturz derGrävenitzischen die saure Herzogin-Witwe. Das Bild Karl Alexanders aber, wie er Belgrad erstürmt mit seinen Axtmännern, ging reißend ab, und als gar ein Reskript das Niederknien der Supplikanten vor dem Herzog verbot, denn nur Gott gebühre solche Ehrerweisung, da mußte Süß eine neue riesige Auflage drucken lassen, und es gab kein Bürger- und kein Bauernhaus im Herzogtum, darin das Bild nicht am besten Platze hing. Und die Herren vom Parlament machten scheele Gesichter.
    Den Prozeß gegen den früheren Hofmarschall, den Grävenitz, und seine Schwester förderte der Herzog mit allem Nachdruck, doch ohne rechten Erfolg. Wohl saß der ehemals Allmächtige auf der Festung Hohentwiel; aber wollte man sich nicht Zwang und Ungerechtigkeit vorwerfen lassen, so mußte man vorsichtig und langsam vorgehen. Was gar die Gräfin anlangte, so war sie außer Landes, die evangelischen Höfe unterstützten sie gegen den katholischen Herzog, und die leise, behutsame Hand Isaak Landauers löste immer

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