Jud Sueß
Oberbefehlshaber, dem Prinzen Eugen. Vor der französischen Übermacht wich der vorsichtige Prinz zurück, bezog ein festes Lager bei Heilbronn. Schon standen wieder die Franzosen im Herzogtum, schrieben Brandschatzungen aus, Lieferungen. Doch Verstärkungen der Reichsarmee, vor allem von Karl Alexander bewirkt, zwangen sieüber den Rhein zurück. Mit wildem Eifer betrieb jetzt der Herzog die militärische Sicherung der Grenzen. Die Festungen wurden ausgebaut, Schanzen angelegt, immerzu hatte der Herzog Konferenzen mit Bilfinger. Ein sehr weitausschauendes Projekt von wahrhaft strategischem Genie wurde ernsthaft und mit Geschick in Angriff genommen. Von Rottweil bis Rottenburg wollte man an einigen Stellen die Berge eskarpieren, da und dort kleine Schanzen aufwerfen; so war diese Grenze absolut zu passieren impraktikabel. Auf dem Schwarzwald wollte man von Schiltach bis Oberndorf Linien ziehen, bis an den Neckar, den Heuberg durch Verhaue sichern. Zur Besetzung dieser Befestigungen genügten fünf Bataillone und zehn bis zwölf Schwadronen. Und mit so verhältnismäßig kleinen Mitteln schuf man ein schwäbisches Thermopylä, an dem jeder welsche Xerxes sich den Schädel einrennen mußte.
Die Landschaft war den Plänen Karl Alexanders zunächst nicht entgegengetreten. Das Herzogtum hatte während der Regierung Eberhard Ludwigs unter den Einfällen, Brandschatzungen, Plünderungen, Raub, Mord und Gewalt der Franzosen zu sehr gelitten, als daß es nicht den starken, sachverständigen, soldatischen Schutz durch seinen jetzigen Fürsten aus ganzem Herzen gewürdigt hätte. Als aber die Franzosen über den Rhein zurückgeworfen waren und die unmittelbare Gefahr verschwand, wurden die Landstände schwierig. Sie reizten den Herzog durch mannigfache umständliche und pedantische Beschwerden. Jeden Augenblick erschien eine Deputation bei ihm mit Reklamationen über seine Maßnahmen bei der Aushebung und bei den Kriegsrüstungen, ärgerte ihn durch ihre dicken, stieren, kleinbürgerlichen Gesichter, durch ihre stumpfe, selbstbewußte Schwerfälligkeit. Schwierigkeiten überall. Der Ersatz der Truppen vollzog sich tröpfelnd und zögernd, Pferde, Material, Proviant wurde ohne rechte Lust und nie in dem geforderten Maße nachgeschoben, die Kriegssteuern gingen zäh ein, der Vollzug stockte, die Kassen waren erschöpft. Der Herzog, an sich zum Argwohngeneigt, begann seinen Räten zu mißtrauen, sie hielten es insgeheim mit der Landschaft. Er berief seinen Juden ins Lager.
Der hatte jedes unscheinbarste Detail der württembergischen Politik gespanntest belauert, gewogen, gewertet und wartete längst mit Gier auf diesen Augenblick. In seiner scharfen, klaren, sehr wachen Art hatte er sich seine Ziele abgesteckt, alle Schritte minutiös berechnet, jeder Zoll seines Weges, seines Terrains lag vor ihm wie eine mit mathematischer Präzision ausgeführte Landkarte.
So fuhr er prächtig und entschlossen ins Lager. Karl Alexander empfing ihn unverzüglich. Es war Nacht, Kerzen brannten, in einem Winkel hockte der Schwarzbraune. Der Herzog saß mit Bilfinger über geometrischen Tabellen. Er polterte seinen ganzen Unmut und Verdruß sogleich und jähzornig heraus, vor diesen beiden ließ er sich gehen. Sein Argwohn gegen die Minister, gegen Neuffer und Forstner vor allem, hatte sich verstärkt. Sie hatten ihn seinerzeit, als er noch Prinz war, dazu bewogen, der Landschaft jene Reversalien und feierlichen Urkunden auszustellen, um bei der Thronübernahme allen Intrigen für den Prinzen Heinrich Friedrich den Boden wegzuziehen. Jetzt redete er sich ein, die Ausstellung und Unterzeichnung dieser Urkunden sei überflüssig gewesen, und zudem hätten ihn die beiden Räte dabei betrogen. Sie seien im Einverständnis mit der aufsässigen und heimtückischen Landschaft, man habe aus der Reinschrift einen Bogen ausgelassen oder wegpraktiziert; die Reinschrift laute anders als das Konzept, das ihm vorgelegen habe. Unmutig und erschreckt hörte Bilfinger diese grund- und sinnlosen Reden an, die der Herzog zornig und ohne viel Zusammenhang herauskläffte. Er zwang sich zur Ruhe, suchte den Herzog mit sachlichen Gründen zu überzeugen, daß er nichts anderes unterzeichnet habe, als was die Verfassung ohnehin von ihm verlangt und was seit dem Tübinger Vertrag alle seine Vorgänger beschworen hatten. Daß also die rechtzeitige Signierung nichts als eine schöne Geste, bei der Stimmung im Land aber zweckmäßig, ja unbedingt notwendig gewesen sei.Auf
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