Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
wieder alle Fäden, aus denen die plumperen württembergischen Räte der Gräfin ein Netz knüpfen wollten. Wohl wurde ein spezialiter verordnetes Kriminalgericht gegen sie eingesetzt, der erste Jurist des Herzogtums, der um seiner strengen Rechtlichkeit willen in ganz Deutschland angesehene Tübinger Professor Moritz David Harpprecht, erhob peinliche Anklage gegen sie wegen Bigamie, gedoppelten, wiederholten, durch viele Jahre forgesetzten Ehebruchs, wegen dreier Mordanschläge gegen Eberhard Ludwigs Gemahlin, wegen Majestätsverbrechens, wegen Kindsabtreibung, wegen Fälschung, Betrugs, Unterschleifs, auch erkannte dies Gericht die Todesstrafe gegen sie. Ein besonderer württembergischer Agent, der Baron Zech, wurde nach Wien gesandt, Bestätigung und Exekution dieses Urteils durchzusetzen, und er gab viel Geld aus, die kaiserlichen Räte zu gewinnen, an hundertunddreiundvierzigtausend Gulden. Aber sei es, daß Isaak Landauer noch mehr ausgab, sei es, daß er einfach geschickter war, die Geschichte wurde langwierig und versackte schließlich ineinen umständlichen, komplizierten Geld- und Vergleichshandel.
    Dem Herzog wurde diese Affäre wie überhaupt die ganze Regiererei vom Kabinett aus bald öde und unbehaglich. Er hatte schöne Manifeste erlassen, die Liebe seines Volkes errungen, und seine Räte, der polternde General Remchingen, der geschmeidige Diplomat Schütz, der schlaue Finanzmann Süß, versicherten ihm Tag für Tag, jetzt seien alle Mißstände abgestellt, Württembergs goldenes Zeitalter angebrochen. Wo in Deutschland gab es einen zweiten so pflichtbewußten Fürsten? Stolz vor Gott, den Menschen und sich selbst, geschwellt von dem Gefühl, den Titel, mit dem eine Adresse der Tübinger Universität ihn angeredet, den Titel: treuester Hirt und Wonne des Menschengeschlechts sich zu Recht verdient zu haben, überließ er die Erfüllung seiner Versprechungen seinen Räten und fuhr, sich freuend auf das Soldatenleben, hungrig nach neuer Gloire, zur Armee.
    Süß hielt Konferenz mit dem Geheimrat Bilfinger und dem Professor Harpprecht über den Prozeß gegen die beiden Grävenitz. Die Herren saßen in dem prunküberladenen Arbeitskabinett des Süß, der Jude schlank, elegant; gewichtig, breit die beiden Württemberger. Der Prozeß stand nicht gut. Wien hatte nahegelegt, den früheren Oberhofmarschall von der Festung zu entlassen und seinen Vergleichsvorschlag anzunehmen; er wollte seine württembergischen Güter gegen eine niedrige Summe abtreten. Auch das peinliche Verfahren gegen die Gräfin war man in Wien zu bestätigen nicht geneigt, man verwies auf den Weg finanziellen Ausgleichs. Dieser Kompromiß schien den beiden Württembergern mager und der herzoglichen Dignité nicht entsprechend. Süß hingegen meinte, der greifbarste Erfolg sei der, der sich in einer hohen Ziffer ausdrücke, und eine so real denkenden Dame wie die Gräfin könne schwerer als mit einer hohen Geldbuße nicht bestraft werden. Die geldliche Regelung solle man ihm überlassen, er werde sie bestimmt zur Zufriedenheit des Herzogserledigen. Die beiden ernsthaften und gerechten Männer fanden diese Anschauung frivol und jüdisch, auch wußten sie, daß Süß Geschäfte mit der Gräfin hatte, und trauten ihm nicht recht. Aber schließlich war der württembergische Agent erfolglos aus Wien zurückgekehrt, es blieb keine andere Lösung als ein Vergleich, der Jude machte das wirklich besser als jeder andere, und der Herzog glaubte bedingungslos an seine glückliche und geschickte Hand. Verdrossen fügten sie sich darein, daß Süß die weiteren Verhandlungen führe.
    Dies durchgesprochen, bat Süß den Juristen noch um einige Deduktionen über umstrittene Befugnisse der Landschaft. Das war eine Frage, die den beiden Württembergern das Herz von Grund auf bewegte. Harpprecht, der Jurist, der langsame, bedächtige, umsichtige Mann, gewohnt, die Dinge rundum zu drehen, genau und von allen Seiten zu beschauen, und Bilfinger, der vertraute Freund des großberühmten Philosophen Wolf, von seiner Professorentätigkeit in Petersburg her über ganz Europa bekannt, geneigt, die Dinge ernsthaft und aus großer Höhe zu übersehen, aufrechte Patrioten beide, ruhevolle, sachliche Männer beide, verschlossen sich nicht der Erkenntnis, daß einige wenige herrschende Bürgerfamilien auf der Verfassung saßen wie auf privatem ererbtem Eigentum und die Repräsentantenstellen des Volkes gleichwie sonstigen persönlichsten Besitz, wie Häuser, Möbel,

Weitere Kostenlose Bücher