Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
ja biszum Badmeister und besoldeten Abdecker. Nicht alle Tradition, nicht noch so erwiesene Befähigung gaben den Landeskindern Anspruch auf ein Amt; wer kein Geld hatte, mochte zusehen, sich auf andere Art oder im Ausland fortzubringen. In Preußen machte der Stuttgarter Christoph Matthäus Heidegger rasche Karriere, in Württemberg hatte es ihm nichts genützt, daß seine Väter ein Jahrhundert hindurch Richter gewesen waren. Dem mittellosen Friedrich Christoph Koppenhöfer konnte selbst der warme Fürspruch Bilfingers nicht zu einer Professur in Tübingen verhelfen; in Sankt Petersburg, bei den Hyperboreern, mußte sich der ausgezeichnete schwäbische Physiker Ansehen und Würden erlehren. Dafür saßen jetzt aus allen Winkeln der Welt gewandte Geschäftsleute in den herzoglichen Ämtern. Wie sollte man Sachkunde finden, fördernde Verwaltung bei Beamten, die ihren Posten teuer bezahlt hatten, die keine andere Legitimation hatten als solche Zahlung, kein anderes Ziel kannten als wucherische Verzinsung des angelegten Kapitals.
    Aber die ergiebigste kommerzielle Affäre, eine Quetsche, die nie versagen konnte, blieb die Justiz. Die Methode des Süß war von genialer Simplizität. Das Recht wurde nach den Prinzipien kaufmännischer Rentabilität verwaltet. Wer Geld hatte, konnte es kaufen und, was er wollte, mit Brief und Siegel legalisieren. Wer kein Geld hatte, dem nützte das bestverbriefte Recht nichts.
    Sehr geschickt verwertete Süß jenes Reskript, mit dem Karl Alexander seine Regierung angetreten hatte. Die Grävenitzschen Beamten waren darin vor Gericht gefordert, Landeskommissionen eingesetzt worden zur Bestrafung von Bestechung und Unterschleif; das Volk hatte diese Verordnung bejubelt, das erhabene Antlitz der Themis leuchtete daraus, dichtete der Hofpoet. Süß machte mit wenigen meisterlichen Strichen aus diesem Antlitz ein anderes, wulstbackiges, frech blinzelndes: Gott Mammons. Ein Fiskalatsamt wurde eingesetzt zum Vollzug der herzoglichen Ordre. Spionierer reisten im Land herum, fanden sich freiwillig, spürten die reichenund vermöglichen Leute auf, die ohne Schutz standen, nicht versippt waren mit Herren am Hof oder vom Parlament. Dann hängte man ihnen einen Prozeß an, sie hätten ihr Vermögen unrechtmäßig erworben, schlug durch Drohungen, Erpressungen, falsche Zeugen auch den Redlichsten so lange weich, bis er, die Untersuchung los zu sein, die geforderte Summe zahlte. Selbst gegen längst Verstorbene wurden Prozesse instruiert, wenn sie nur Vermögen hinterlassen hatten.
    Über die Grenzen hinaus Aufsehen erregte der Fall des Kammerrats und Hauptzollers Wolff. Dem eigenbrötlerischen, rechthaberischen Mann wurde grundlos der Prozeß gemacht. Der Expeditionsrat Hallwachs, eine Kreatur des Süß, schlug ihm einen Vergleich vor, Wolff bequemte sich nicht, bestand auf seinem Recht. Das Verfahren ging weiter, es wurde ihm seine Bissinger Mühle genommen. Als ihm die Pfändung seines Weinbergs angesagt wurde, sprang der sanguinische Mann dem herzoglichen Beamten, der ihm die Verfügung überbrachte, an die Gurgel. Jetzt wurde seinem Sohn der bereits erteilte Heiratskonsens wieder entzogen, der junge Mann beugte sich nicht, drang bis zum Herzog vor, hielt bei währendem Konferenzrat eine wilde Anklagerede gegen das Fiskalatsamt, wurde mühsam von den Schweizern entfernt. Karl Alexander, stark beeindruckt, forderte die Akten ein, ließ sich aber dann von dem Hofkanzler Scheffer beschwatzen, es sei alles in Ordnung und Fug, Wolff sei ein Radaubruder und Querulant. Nun wurde der Kriminalprozeß gegen ihn verschärft, Gefängnis gegen ihn verfügt. Er floh ins Ausland, verkam. Seine hinterlassenen Güter beschlagnahmte das Fiskalatsamt.
    Sechseinhalb Tonnen Goldes quetschte innerhalb eines Jahres diese Justizbehörde in die herzoglichen Kassen. Einundeinviertel Tonnen davon berechneten die Kassiere des Süß als Spesen und Provision, über eine halbe Tonne außerdem behielt Süß zurück, sie verrechnend für gelieferte Preziosen.
    In Stuttgart, trotzdem Süß noch immer kein offizielles Staatsamt innehatte, wußte man längst, daß nicht vom Schloß aus regiert wurde, auch nicht von der Residenz in Ludwigsburg,auch nicht vom Landschaftshaus. Alle diese verfluchten, kniffligen Reskripte, die so harmlos, ja wohltätig aussahen und die einem hernach um den Hals hingen wie Mühlsteine, daß man keine Luft kriegte und schnappte, gingen aus von dem Haus an der Seegasse. Jetzt ballte man Fäuste vor diesem

Weitere Kostenlose Bücher