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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Und er selber thront, ein theatralischer Rachegott, über allem. Tun aber konnte er von all dem nichts, er konnte sich nur daran verzehren und sterben.
    Karl Alexander, sowie er den Tod des Bruders erfuhr, sandte den Minister Forstner und den Kriegsrat Dilldey nach Schloß Winnenthal, die Verlassenschaft des Toten zu versiegeln und insbesondere seine Briefschaften zu beschlagnahmen. Er hatte gerade während der Tagung des Rumpfparlaments von neuerlichen Zetteleien seines Bruders mit der Landschaft gehört, er brannte darauf, Beweise, schwarz auf weiß, in die Hand zu kriegen wider gewisse Parlamentarier von der Opposition. Ei, wie wollte er sie packen, ei, wie wollte er sie zwiebeln, der Hydra den Kopf zertreten.
    Seine Abgesandten fanden auf dem stillen Schloß spärliche, bestürzt schleichende Dienerschaft, und an der Leiche,starrend, apathisch das blonde Geschöpf. Dem Herzog brachten sie nichts zurück als belanglose Schreiberei.
    Der schäumte. Er war gewiß, der parlamentarische Ausschuß, die Elf, hatten Konventikel gehabt mit dem Toten, Kabale gemacht, ihm die Regierung zuzuschanzen. Er wütete gegen die Abgesandten, die ihm nur Wertloses beigeschafft hatten. Wegpraktiziert hatten sie das Belastende, verbrannt. Verhunzt hatten sie, absichtlich zerschmissen und kaputt gemacht die gute Gelegenheit, das Spiel zu entdecken.
    Süß schürte, hetzte. So ein Moment, die Verhaßten zu stürzen, kam nicht wieder. Er hakte ein bei dem alten, sinnlosen Verdacht des Herzogs. Waren es nicht die gleichen Männer, die Karl Alexander seinerzeit die Reversalien abgepreßt hatten, jene unseligen Religionsversicherungen, die sich dann in Stuttgart in der Reinschrift anders lasen als damals in Belgrad im Konzept? Die den Bogenwechsel vorgenommen hatten, ein Blatt eingeschmuggelt in die endgültige Fassung? Hochauf schäumen machte Süß den alten Argwohn des in allem Diplomatischen kindlichen Soldaten. Jene, die Herren, mochten Übung haben im Verschwindenlassen eines Schriftstücks. War die jetzige erfolglose Suche nach den sicher vorhandenen Dokumenten des Hochverrats nicht recht eigentlich Beweis und Bestätigung ihrer damaligen Praktiken, Zeugnis des geheimen Einverständnisses mit dem meuterischen Parlament?
    Karl Alexander war es müde – und Süß pries die Weisheit solchen Entschlusses –, mit diesem zweigesichtigen Kabinett weiter zu regieren, das, wenn nicht aus Hochverrätern, im besten Fall aus schwerfälligen Schikanierern, Pedanten, Angsthasen, Kompromißlern, Linkshändern bestand. In Ungnaden entlassen wurden die Minister Forstner, Neuffer, Negendank, Hardenberg. Nur Bilfinger blieb. An den weit über Württemberg ragenden, festen, gelehrten Mann wagte sich der kluge Süß nicht, auch genierte er wenig, beschäftigte sich mehr mit seinen Studien, hielt sich in der Politik, wenn auch drohend und bedenklich, im Schatten. Und schließlichschätzte der Herzog die Unterhaltung des festungsbaukundigen Mannes zu sehr, als daß Süß hier viel hätte ausrichten können.
    Aber mit in den großen Sturz geriet der Kammerdirektor Georgii, der das Wort geprägt hatte von der hebräischen Garde. Zu spät hatte der um Brot und Stellung besorgte Mann jenen unseligen Scherz bereut, zu spät sich an Süß anzubiedern versucht. Tief genoß der Jude seinen Triumph, als er diese ungelenken Annäherungsversuche wahrnahm. Er spielte mit dem plumpen, schwerfälligen Herrn, behandelte ihn jetzt mit besonderer Verbindlichkeit, daß der Aufatmende schon glaubte, Süß habe von jenem Hohnwort nichts gehört oder es vergessen. Schreckte ihn dann wieder durch eine Anspielung, eine undurchsichtige Drohung. Bis er endlich selber dem Kammerdirektor seinen Sturz mitteilte. Er hatte ihn zur Tafel geladen. Man saß, ein kleiner Kreis, unter dem Deckengemälde, dem vielfigurigen Triumph des Merkur, hatte von goldenem und silbernem Schüssel- und Tellerwerk raffinierte, gewürzte Speisen gegessen, aus den kostbaren Kelchen fremde, starke Weine getrunken. Nun saß man schwer, dampfte, verdaute. Da sagte der Jude leicht und verbindlich zu dem Kammerdirektor, er bedaure, daß Serenissimus seine erfahrenen Dienste so gar nicht mehr schätze; aber der Herzog möge eben die alte Garde partout nicht mehr leiden, nicht riechen könne er sie mehr. Und zur neuen gehöre der Kammerdirektor eben einmal nicht. Der schwere Herr sah ihn fassungslos an, stammelte etwas, starrte verloren vor sich hin, schlotternden Kopfes, schwankte bald fort. Er war arm, ein

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