Jud Sueß
gerader, beschränkter Mensch, gebannt in Enge und Konvention, er hatte sieben Kinder und kein Geld. Nun war er also in Ungnade, schimpflich aus seinem Amt gejagt. Er ging heim, erhängte sich.
Ein großer Beamtenschub kam. Bisher waren viele biedere, gemütliche, schwäbische, langsame, gutartige Männer an hohen Stellen gesessen; jetzt rückten glatte, flinke Leute an, viele Ausländer, gewandt, vielwortig, in mancherlei kompliziertenGeschäften zu Haus, die Kreaturen des Süß, die Scheffer, Thill, Lautz, Bühler, Mez, Hallwachs. An allen entscheidenden Stellen saßen sie, alle Zugänge zum Herzog hielten sie besetzt. Süß selber aber lehnte noch immer jedes Amt ab, er hatte nichts als den Titel Geheimer Rat und Oberhoffinanzdirektor, auch Schatullenverwalter Ihrer Durchlaucht der Frau Herzogin; aber er war, und alle Höfe wußten dies, der wahre Regent des Landes, er hielt auch ohne Siegelring seine Hand über dem Herzogtum.
Befreit auf atmete das Land, streckte sich in fröhlicher Erwartung. Aus der Krieg. Zurückkehren werden jetzt die Söhne, Männer, Liebsten. Geruhig, sicher wird jetzt das Leben fließen, nicht stoßweise, mit Lücken hier und Mangel dort und immer neuen Schikanen. Die jungen, festen Männer wird man wiederhaben, ihre entbehrten Fäuste für die Arbeit, die Männer wieder fürs Regiment im Hauswesen, fürs Bett. Einteilen wird man sich sein Geschäft können, nichts ins Ungefähr wird man wirtschaften. Die Pferde wird man wiederhaben, die lieben, kräftigen Rösser, sie werden abgerackert sein, aber man wird sie schon glatt und hoch bringen. Alle Äcker wird man bestellen wie früher, den Weingarten wird man nicht weiter verludern lassen, das Haus nicht verdrecken und verfallen. Die kleinen Bürger in den Städten werden ihr Auskommen haben wie vor dem Krieg, die Materialien für ihre Hantierung, Eßwaren reichlich und Wein. Nicht wird man vor Wagen, mit schönen Dingen hochbepackt, sich sagen müssen: Je, ist alles für die Soldaten! Selber im Land wird man haben, was man macht. Nach Westen alle Blicke, von wo die Truppen wieder herkommen, die Männer, die Pferde, die Zelte, Wagen, Troß, Proviant, das Entbehrte zurück, das Ersehnte, Mangelnde, Dung und Saft zurück. Nach Westen alle Blicke wie in Dürre nach aufziehenden Wolken.
Die fressende Enttäuschung, als der Landtag kläglich resignierte, als die Armee nicht aufgelöst wurde. Ins Feuer flogen,auf den Mist die Bilder des Herzogs, Belgrad, die siebenhundert Axtmänner. Verzweiflung brach aus, Rottierer hoben sich, drohender als bei Beginn des Krieges, aber rascher noch und energischer zur Ruhe gebracht. Mit Quartier belegt, denn Kasernen mangelten, alle Untertanen, auf je zwei Familien kam ein Soldat, überall im Land lagen sie bei Bürgern und Bauern. Spionierer gingen herum, wer murrte, verdächtig war, wurde mit doppelter Last beladen. Hatten die vielmögenden Herren des Parlaments so rasch gekuscht vor des Herzogs Truppen, so wurde der gemeine Mann doppelt eingeschreckt von den Garnisonen, von den fremden, katholischen Offizieren und ihrer Brutalität.
Ringsum die Länder, die freien Städte blühten auf jetzt im Frieden; im Herzogtum sah der Friede schlimmer her als der Krieg. Denn hatte Karl Alexander draußen Geld nur für sein Militär gebraucht, so mußte er es jetzt haben für die Truppen und seine Hofhaltung, die üppiger glänzte von Tag zu Tag.
Süß, es war ein Wunder, es war Zauberei, schaffte das Geld. Als hätte er eine Wünschelrute, spürte er jeden versteckten Fleck, es an den Tag zu scharren. Während des Krieges hatte er die Schraube erst angesetzt, jetzt, langsam, mit unheimlicher Ruhe und Fertigkeit, drehte er zu. Niedergehalten von dem würgenden Druck der Soldaten, schrie nicht das gequetschte Land, stöhnte gequält, blutete veratmend seinen Saft aus, seufzte gedrosselt, verging. Auflagen, immer neue, Stempel auf alles, auf Schuhe selbst und Stiefel. Giftige Witze flogen auf: nächstens werden auch die Menschen gestempelt, auf die flache Hand gebrannt oder auf die Fußsohlen, zu vier Groschen das Paar.
Auch unter Eberhard Ludwig und der Grävenitz waren Ämter und Stellen verschachert worden. Süß raffinierte das System, setzte eine eigene Behörde dafür ein, das Gratialamt, jede frei werdende Stelle kunstgerecht an den Meistbietenden zu versteigern, neue Ämter, Titel, zu solchem Behuf zu schaffen. Gekauft werden mußte jeder Posten, vom Expeditionsrat bis herunter zum Schultheiß und Dorfrichter,
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