Judasbrut
entschieden, anstatt sich mit den Akten zu befassen, die sich
während ihres Urlaubs ganz sicher auf dem Schreibtisch angesammelt hatten. Als
sie eintrat, warteten im Vorraum drei Besucher. Maria hob grüßend die Hand in
Richtung des Kollegen, der Pfortendienst hatte. Er winkte Maria zu sich.
»Morgen,
Axel. Was gibt’s?«
Axel
deutete auf jemanden. »Besuch für dich.«
Hinter
ihr erklang ein Räuspern. Sie wandte sich um.
»Ja?«
»Frau
Ammon?« Eine kleine, zarte Blondine von Anfang zwanzig streckte ihr die
manikürte Rechte entgegen. Die Farbe der Fingernägel harmonierte perfekt mit
dem rosaroten Lippenstift und dem Chiffonschal. Was sie sagte, klang ein wenig,
als entweiche zischend die Luft aus einem Gummitier. »Schbinmischelleschmitz.«
Unwillkürlich
ergriff Maria die ihr dargebotene Hand. »Grüß Gott, Frau … Verzeihung, wie ist Ihr Name?«
»Michelle
Schmitz.«
»Ah,
Frau Schmitz. Was kann ich für Sie tun?«
»’sch
bin die Neue.« Sie lächelte – etwas gezwungen allerdings und
sah sich dabei um, als fühle sie sich nicht recht wohl in ihrer Haut.
»Die
Neue?«, fragte Maria verständnislos. Dann fiel der Groschen. »Ach so. Sie sind
die Kriminalkommissarin zur Ausbildung.«
»Genau.
Die Azubine.«
Maria
lachte über die Ausdrucksweise. Offenbar hatte sie weder einen Hörfehler, noch
war Michelle betrunken, sondern die junge Frau besaß einen ausgeprägten
Dialekt, der ganz sicher nicht aus dem Süddeutschen stammte. »Kommen Sie mit
rein. Entschuldigen Sie, aber heute ist mein erster Arbeitstag nach dem Urlaub
und bis gerade eben wusste ich noch nicht, dass Sie kommen. Ein Kollege hat
mich erst vorhin darüber informiert – Axel, Frau
Schmitz kommt mit mir.«
»Passt
schon.« Der Beamte betätigte den Türöffner.
Maria
machte eine einladende Handbewegung.
»Danke«,
sagte Michelle und wirkte ein wenig entspannter.
»Hier
sind drei Dienststellen unter einem Dach«, informierte Maria Michelle, während
sie durch das Gebäude marschierten. »Die Polizeiinspektion Erlangen-Stadt, die
Verkehrs- und Autobahnpolizei und natürlich die Kriminalpolizei. Wir machen
später noch einen Rundgang, damit Sie alles kennenlernen.«
Als sie
im zweiten Stock ankamen, erregten sie und ihre neue Begleiterin natürlich
Aufsehen. Daher standen sie bald zu mehreren auf dem Flur herum. Michelle war
wortkarg, erwiderte aber freundlich die Begrüßung und sah sich um, während
Maria von ihrem Urlaub berichtete.
»Also
ich, wenn ich könnt, würd’ nicht ins Ausland fahren im Moment«, sagte Franz
Meyer von der Spurensicherung im Brustton der Überzeugung. »Die Schweinegrippe!
Die is fei auf Mallorca, hab ich gehört.«
»Schmarrn – des is
ein Verdacht«, antwortete Ralf Sollfrank vom K1. »Kam heute früh im Radio. Mach
dich nicht gleich narrisch. Ich hätt jedenfalls nichts dagegen, a weng in der
Sonne zu liegen.«
Maria
vertröstete die anderen auf später, doch bevor sie zu ihrem Büro weitergehen
konnte, winkte Friedrich Zirngiebl, der Leiter des K1, sie noch einmal
beiseite.
»Am
Freitag hatten wir eine Leiche in der Regnitz. Wir vermuten eine der
Obdachlosen vom Bahnhof. Vielleicht zu viel getrunken und dann in den Fluss
gefallen – nichts Aufregendes. Jochen hat den Fall, aber ich dachte, vielleicht
wäre das was für Frau … wie heißt sie noch gleich? So zum Einstieg?«
»Michelle
Schmitz. Ist gut, ich sag’s Jochen. Am besten nehm’ ich den Fall gleich zu mir
rüber.«
Schließlich
ging Maria in ihr Büro, fuhr den Computer samt Bildschirm hoch und durchkämmte
den Posteingangskasten nach den neuesten Unterlagen. Sie wies Michelle den
Platz ihr gegenüber an: »Sie können dort sitzen. Meine Kollegin ist vor vier
Wochen in Mutterschutz gegangen – es sei denn, Sie legen Wert
darauf, den Katzentisch zu benutzen.« Sie deutete auf einen Tisch, der quer vor
den beiden Schreibtischen stand und auf dem sich unzählige Akten und Papiere
stapelten. »Sagen Sie, würde es Ihnen etwas ausmachen, mir einen Kaffee zu
besorgen? Wissen Sie, wo die Küche ist?«
»Finde
ich schon. Ist ja alles ziemlich übersichtlich hier.« Kurzerhand drapierte
Michelle Jacke und Handtasche über der Stuhllehne. »Milch? Zucker?«
Maria
war nicht sicher, ob die Frage schnippisch oder tatsächlich ernst gemeint war.
»Schwarz, bitte.«
Als
Michelle mit dem Kaffee zurückkam, bedankte sie sich knapp, weil sie gerade
Olaf anrief.
»Hier
ist Maria. Weiß du zufällig etwas über den Fall
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