Judasbrut
nicht
geheiratet.«
Perez
streckte seinen Rücken durch. »Er war ein … na ja,
ein Arschloch. Das hab ich ihr von Anfang an gesagt, aber sie wollte ja nicht
auf mich hören. Sie hätte sich vor Jahren von ihm trennen sollen.« Er schwieg
einige Sekunden. »Ist Nina eigentlich in Ordnung?«
Maria
nickte. »Ich habe sie gerade eben gesehen. Sie ist auf dem Heimweg.«
»Hm.
Und Jens?«
»Ins
Krankenhaus. Und du solltest da jetzt auch hin.« Sie deutete auf einen
Krankenwagen in der Nähe. »Du bleibst erst einmal dort, bis ich alles geklärt
habe. Hoffentlich werden die Phagen dir helfen.«
Perez
schien ihre Besorgnis nicht zu teilen. »Ja, natürlich tun sie das. Abba bekommt
das schon hin.« Er schnippte ein kleines Steinchen von dem Podest. »Nina hat
mir vorhin gesagt, dass es mein Kind ist … « Es
klang eher wie eine Frage.
»Ja,
das stimmt«, antwortete Maria.
Ungläubig
schüttelte er den Kopf. »Weißt du, ob sie es überhaupt … behalten will?«
»Sie
schon«, antwortete Maria. »Sie will schon lange Kinder. Jens eigentlich auch,
aber er hat ihr erst letzte Woche gebeichtet, dass er nicht kann.«
Plötzlich
fing Perez an zu lachen. Erst leise, dann lauter. Schließlich hatte er
Lachtränen in den Augen.
»Was
ist los?«, fragte Maria verwundert.
Er
wischte sich die Tränen ab und stand auf. »Das nennt man wohl Ironie des
Schicksals.«
»Tut
mir leid, aber ich verstehe gerade nur Bahnhof.«
»Weißt
du, was das Wort ›Abba‹ auf Deutsch bedeutet?«
Maria
schüttelte den Kopf.
»Ich
erzähle dir die ganze Geschichte, wenn du mit mir Essen gehst.«
»Ach?«
Perez
zwinkerte ihr zu. Immer noch verwirrt sah Maria ihm nach, wie er sich zu dem
bereitstehenden Krankenwagen durchschlängelte, wobei er auf möglichst großen
Abstand zu allen bedacht war.
Holzapfel
war zu ihr getreten, und sein Blick folgte ihrem. »Oh.«
»Kein
Kommentar, Paul!«
Paul
lachte leise.
Mit
einem Stöhnen ließ Maria ihren Kopf in den Nacken sinken. »Ja, leck mi a weng
am Orsch!«, sagte sie im breitesten Fränkisch. »Ich bin urlaubsreif, das sag
ich dir.«
»Aber
erst müssen wir hier aufräumen.« Er deutete auf das Getümmel aus Polizisten,
Schaulustigen und Sanitätern und reichte ihr die Hand.
Maria
ließ sich hochziehen. »Ich hab’s befürchtet.«
Plötzlich
tauchte Michelle auf. »Maria! Weißt du schon das Neueste? Hab ich nämlich ganz
vergessen, dir zu sagen.«
»Nein,
weiß ich nicht! Aber ich nehme an, du wirst es mir jetzt erzählen.«
Die
junge Frau strahlte. »Ich bleib noch bis zum Ende des Praxissemesters!«
Maria
grinste. »In der langweiligen Provinz! Und weißt du was, ich hab auch gleich
einen Job für dich!«
Michelle
salutierte zackig.
»Kaffee.
Schwarz. Jetzt.«
»Und
eine von diesen Riesen-Brezen!«, sagte Michelle entschieden und verschwand in
Richtung der Buden, die inzwischen wieder geöffnet hatten.
Bibel, Apostelgeschichte
1, 18
Dann aber stürzte er (Judas)
vornüber zu Boden, sein Leib barst auseinander, und alle Eingeweide fielen
heraus.
Epilog, Juni 2009
Ein älterer Mann mit einer
auffallend großen, spitz zulaufenden Nase spazierte über den breiten Hauptweg
des Bergkirchweihgeländes. Es regnete, doch das schien ihn nicht weiter zu
stören, denn er trug einen Regenschirm, den er über die Schulter gelegt hatte.
An der Stelle, an der einige Wochen zuvor das Riesenrad gestanden hatte, blieb
er stehen. Mit leicht gesenktem Kopf verharrte sein Blick an einem Punkt mitten
auf dem Asphalt.
»Schön,
dass Sie gekommen sind, Herr Langenbach«, sagte er mit kratziger Stimme, als
jemand neben ihn getreten war. Er wandte sich dem Sprecher zu. »Verzeihen Sie
meine Sprechweise, doch ich fürchte, sie wird nie mehr ganz die Alte.«
»Guten
Tag, Professor Leibl.«
Nur
kurz streifte Jens’ Blick die Stelle am Boden, auf die Eichmüller gestürzt war.
Er trug eine Regenjacke und die Tropfen fielen von der Kapuze in sein Gesicht.
Er trat von einem Fuß auf den anderen.
Leibl
zupfte an seinem Ohrläppchen herum. »Geht es Ihnen gut?«
»Ja,
danke. Ich bin ja nicht krank geworden.«
»Im
Gegensatz zu vielen anderen«, erwiderte Leibl. Beständig tröpfelte es auf den
Regenschirm.
»Dank
Ihnen ist aber niemand mehr gestorben«, sagte Jens nach einer Weile.
Ein
winziges Lächeln huschte über Leibls Lippen. »Gehen wir ein Stück«, schlug er
vor.
Seite
an Seite gingen sie über das verwaiste Gelände. Regen rauschte auf dem
Blätterdach der hohen Bäume
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