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Judasbrut

Judasbrut

Titel: Judasbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Fink
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keine Mühe, ihr
Missfallen über Eichmüllers anmaßendes und überhebliches Benehmen zu verbergen.
    Im
Versuch einzulenken, schlug Eichmüller einen jovialen Ton an: »Oh, ja,
natürlich. Bitte halten Sie mich nicht für unhöflich, aber der Tag gestern
sitzt mir wirklich noch in den Knochen. Es war … «,
jetzt wurde seine Stimme leise, »… es war schrecklich. Wissen Sie, eine Zeit
lang dachte ich wirklich, ich sterbe.« Er senkte den Blick zu seinen auf der
Bettdecke verschränkten Fingern.
    Plötzlich
tat er Maria gegen ihren Willen leid. Egal, wie die Umstände lagen, er war
immerhin das Opfer. »Wie geht es Ihnen denn heute?«
    Eichmüller
zog eine Grimasse und rieb sich die Herzgegend. Mit einer abschätzigen Geste
deutete er auf die Apparate, an die er angeschlossen war. »Nach dem
Herzkatheder gestern sollte ich noch länger auf der Intensivstation liegen,
aber Sie können sich vielleicht vorstellen, dass man dort noch weniger zur Ruhe
kommt. Zum Glück bin ich ja im Klinikum kein Unbekannter und daher kümmert man
sich wirklich rührend um mich.«
    Maria
glaubte an Michelles leisem Räuspern zu hören, dass der jungen Frau Eichmüllers
Arroganz genauso missfiel.
    »Ihr
Institut arbeitet eng mit der medizinischen Fakultät zusammen, nicht wahr?«,
meinte Maria.
    »Ja,
wir forschen im Bereich Immunologie und Molekularbiologie. Die
Friedrich-Alexander-Universität hat diesen Studiengang vor zehn Jahren als
erste eingeführt. Daran waren wir vom Institut natürlich nicht ganz
unschuldig.«
    Maria
hatte den Eindruck, er warte förmlich darauf, dass sie oder Michelle in
Entzücken darüber ausbrächen. Doch den Gefallen taten sie ihm nicht.
    In noch
enthusiastischerem Tonfall fuhr Eichmüller fort: »Mein ganz persönliches
Steckenpferd ist allerdings die Phagentherapie. Als ich das Institut Anfang der
90er gründete, war Felix d’Herelle mein großes Vorbild – ein
Pionier, ein Visionär.«
    »Interessant … « Maria
spitzte die Lippen. »Wir möchten Sie möglichst wenig beanspruchen, Dr.
Eichmüller, damit Sie bald wieder auf den Beinen sind, daher wäre es gut, wenn
wir uns zunächst auf den Tathergang konzentrieren.«
    Eichmüller
nickte ein wenig indigniert, weil Maria abrupt zum eigentlichen Grund ihres
Hierseins umschwenkte, anstatt auf seine Begeisterung einzugehen.
    »Im
Bericht steht, Ihre Frau sei vom Urlaub heimgekommen. Wo ist sie gewesen?«
    »Sara
war mit unserem Sohn in der Schweiz zum Skifahren«, erwiderte Eichmüller. »In
Grindelwald – dort sind wir früher oft gemeinsam gewesen. In diesem Jahr sind
die beiden jedoch allein gefahren. Ich hatte viel zu tun im Institut und konnte
mir keine ganze Woche freinehmen.«
    Und er
hatte die Gelegenheit genutzt, um mit seiner Freundin ungestört zu sein. Aber
das ging sie nichts an. »Also Ihre Frau und Ihr Sohn waren im Skiurlaub. Ihr Sohn
war gestern Morgen nicht anwesend?«
    »Nein.
Zum Glück blieb Elias das Drama erspart.«
    »Kümmert
sich jemand um ihn?«, fragte Maria besorgt und rief sich die Angaben über den
Dreizehnjährigen in Erinnerung, der in einem Internat lebte.
    »Ja,
Matti ist gestern gleich hingefahren, um Elias alles schonend beizubringen,
bevor er es aus den Medien erfährt«, erwiderte Eichmüller mit einem tiefen
Seufzer und fügte erklärend hinzu: »Ich meine Professor Mattityahu Leibl. Die
Kollegen in der Klinik haben ihn sofort informiert, als ich hier ankam. Vorhin
habe ich mit ihm telefoniert. Wissen Sie, wer er ist?« Er wedelte mit der Hand
in Richtung der Papiere in Marias Hand.
    »Ja,
das weiß ich.« Leibl war Saras Onkel väterlicherseits und hatte bis zu seinem
Ruhestand den Lehrstuhl für Epidemiologie an der Universität innegehabt.
»Professor Leibl ist an Ihrem Institut beschäftigt?«
    Eichmüller
lächelte. »Er ist kein regulärer Angestellter, doch er hat seit Jahren ein Büro
und Zugang zu unseren Laboren. Er ist ein Vollblutwissenschaftler und mit
seinen Forschungen verheiratet. Seitdem er im Ruhestand ist, vertritt er mich
häufig, wenn ich verhindert bin.«
    »In
dieser Woche zum Beispiel?«, erkundigte sich Michelle aus dem Hintergrund.
    Eichmüller
hob die Hände. »Er wird vermutlich den einen oder anderen Termin für mich
wahrnehmen. Hauptsächlich wird er sich um Elias kümmern.«
    »Ihr
Sohn ist also zurzeit im Internat in Windsbach?«
    »Ja,
das ist er. Elias singt seit drei Jahren im Knabenchor.« Man konnte Eichmüller
den väterlichen Stolz anhören. »Am Samstag hatten sie einen

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