Judasbrut
bleibst du?«, rief Nina und schob mit ihrer Sonnenbrille den blonden Bob
zurück. »Wenn wir jetzt nicht gehen, wird es zu spät.«
»Mach
doch nicht so einen Stress«, brummelte Jens und kletterte aus dem Bus. Während
er abschloss, warf er einen kritischen Blick zum Himmel. »Meinst du nicht, wir
sollten lieber hierbleiben? Es soll heute noch regnen.«
Nina
schielte zu der einsamen Schäfchenwolke am strahlend blauen Himmel und sog
theatralisch die Luft ein. »Oh Gott! Du hast recht! Da – das Unwetter naht!«
Jens
knuffte sie. »Hast du deine Regenjacke?«
»Bin ich
aus Zucker?«, gab sie zurück. »Nun komm schon.«
Während
sie über den Stellplatz marschierten, deutete Nina auf ein Wohnmobil mit den
Ausmaßen eines Reisebusses. Ein älteres Ehepaar saß davor und spielte Kniffel.
»Rollendes Eigenheim«, meinte sie süffisant. »Da gehört eine Großfamilie rein
und nicht zwei Persönchen.«
Schief
lächelnd zuckte Jens mit den Schultern. »Weißt du, was so ein Ding kostet? Die
meisten Familien sind schon froh, wenn sie sich überhaupt einen Urlaub leisten
können.«
Nina
schluckte eine Bemerkung herunter. Sie wollte sich die Wanderung nicht gleich
zu Beginn verderben, denn die leidigen Diskussionen über die Vor- und Nachteile
eines Familienlebens führten sie für ihren Geschmack viel zu häufig. Im Gehen
holte Nina die Wanderkarte aus der Seitentasche ihres Rucksacks, um diese
eingehend zu studieren.
»Da
müssen wir links.« Sie deutete auf den befestigten Weg, der sich über die
Felder zum Wald hin schlängelte.
Ninas
vormals gute Laune hatte sich verflüchtigt. Eigentlich hätten sie gar keine
Zeit für einen Kurztrip gehabt, denn ihr neues Haus beanspruchte all ihre
Freizeit. Der Rohbau stand beinahe und es gab unzählige Dinge zu planen. Jens,
Polizist beim Einsatzzug in Erlangen, war in den zwei Osterferienwochen für
Kollegen mit schulpflichtigen Kindern eingesprungen. Nina, die als Lehrerin
Osterferien hatte, schlug sich daher meist allein mit den üblichen Problemen am
Bau herum. An diesem Wochenende wäre nun endlich Zeit gewesen, um gemeinsam ein
paar liegen gebliebene Dinge zu erledigen, doch als sie am Morgen das schöne
Frühlingswetter sahen, hatten sie sich spontan entschlossen, lieber in die
Fränkische Schweiz zu fahren. Jens hatte nach den anstrengenden Diensten der
letzten zwei Wochen allerdings eher ein ruhiger Nachmittag vorgeschwebt, daher
hatte es Nina einige Überredungskunst gekostet, den Brauereiweg rund um Aufseß
zu gehen.
»Nina,
nun renn doch nicht so!«
»Wenn
wir zu langsam gehen, schaffen wir das bis heute Abend nicht.«
»Ich
habe ja gleich gesagt, dass es eine bescheuerte Idee ist, die komplette Tour zu
machen«, knurrte Jens mit zusammengebissenen Zähnen. »Das sind 15 Kilometer.
Das dauert Stunden! Es reicht doch, wenn wir einfach ein Stück spazieren
gehen.«
Nina
warf ihm über die Schulter denselben strengen Blick zu, mit dem sie seit fast
dreizehn Jahren ihre Realschüler bedachte, wenn die den Unterricht störten.
Jens seufzte verdrossen. Schweigend erreichten sie zehn Minuten später den
Wald. Der Boden war bedeckt mit Tannennadeln und dämpfte ihre Schritte. An
einer Weggabelung blieb sie stehen. Ein Trampelpfad führte links am Waldrand
entlang. Geradeaus erkannte man eine mit hohem Gras überwucherte Traktorspur,
die zwischen einer Wiese und einem Getreidefeld hindurchführte. Es war still
und friedlich, nicht einmal Autos in der Ferne waren zu hören.
»Wo
lang?«, fragte Nina, nachdem sie vergeblich nach Hinweisschildern Ausschau
gehalten hatte.
Jens
runzelte die Stirn. »Keine Ahnung. Vielleicht haben wir irgendeinen Abzweig
verpasst. Gehen wir einfach nach links – bestimmt kommen wir dann zum Stellplatz zurück.«
»Woher
weißt du das?«, fragte Nina schnippischer als beabsichtigt.
»Das
ist doch wohl völlig klar!«, meinte Jens. »Wir sind von dort gekommen, dann
einmal links abgebogen, und der Weg hat da hinten einen leichten Linksknick gemacht.
Wenn wir jetzt … «
»Ist ja
gut«, unterbrach Nina ihn und zückte die Wanderkarte. »Dein Orientierungssinn
in allen Ehren, aber wir wollen nach Sachsendorf und das ist irgendwo anders
als links.« Sie sah sich um, wobei sie versuchte auf der Karte irgendeinen
Anhaltspunkt zu finden.
» Du willst nach Sachsendorf«, korrigierte Jens. »Ist doch egal, wenn wir woand…«
»Dir
vielleicht!«, brauste Nina auf. »Mir nicht. Da!« Nina deutete auf einen
Wegweiser an einem Baum, der
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