Judasbrut
Eichmüller?«
»Zufällig
war ich der Staatsanwalt, der den Haftbefehl beantragt hat. Ist das etwa jetzt
dein Fall?«
»Hmm.«
Maria reckte sich. »Ich hab noch nicht alles durchgesehen, aber … bist
du sicher, dass die Frau wegen versuchten Mordes gesucht wird? Ist das
nicht ein bisschen übertrieben?«
Am
anderen Ende der Leitung war ein tiefes Einatmen zu hören. »Die lange oder die
kurze Variante?«
»Die
Kurze, bitte.«
»Ja.«
»Danke
für das Gespräch.«
Olaf
lachte. »Du hast es so gewollt. Also die mittlere Variante: Wäre Frau
Eichmüller einfach abgehauen, wäre sie nur wegen unterlassener Hilfeleistung
dran gewesen. Doch ihren Mann unter die kalte Dusche zu bringen, anstatt ihm
das Nitrospray zu geben … was ja auch spurlos verschwunden ist, wie du gelesen
haben dürftest. Maria, die Frau ist Ärztin und wusste genau, was das bewirken
kann. Der Haftrichter hat sich nach vorläufiger Aktenlage ohne Weiteres meiner
Meinung angeschlossen.«
»Aha.«
Maria rieb sich über die Augen. Was hätte sie an Saras Stelle getan?
Olaf
schwieg einen Moment, dann wurde seine Stimme weich. »Hey. Ich glaube, ich
weiß, woran du gerade denkst. Aber so ist nun mal das Gesetz.«
Maria
lächelte schwach. »Ich muss jetzt weitermachen.«
Nach
dem Telefonat vertiefte sie sich in den Bericht über Eichmüller. Erst einige
Zeit später hob sie den Kopf, um festzustellen, dass ihre junge Kollegin den
Raum wieder verlassen hatte. Auf dem Schreibtisch gegenüber lag ein Ordner, der
das Logo der Fachhochschule des Bundes trug, sowie Block und Stift. Gähnend
nahm Maria ihre fast leere Kaffeetasse in beide Hände und lehnte sich zurück.
Im Stillen dankte sie Holzapfel für seine Initiative. Flüchtig las sie den
Bericht über die tote Obdachlose, den Jochen ihr erfreut überlassen hatte.
Sollte sie selbst in der Rechtsmedizin anrufen oder das gleich der Neuen
überlassen? Der Eingangston einer SMS riss sie aus ihren Überlegungen. Sie
holte gerade ihr Telefon, um nachzusehen, als Michelle hereinkam. Maria warf
einen Blick auf die Kurznachricht von Olaf. Die Antwort konnte warten.
»Haben
Sie sich umgesehen?«, erkundigte sie sich bei Michelle, die ebenfalls eine
Tasse in der Hand hatte, aus der das Ende eines Teebeutels heraushing.
Michelle
zuckte mit den Schultern. »Ein bisschen. Einer Ihrer Kollegen – Rottenhäuser … ?«
Maria
nickte. »Fabian Rottenhäuser, er ist noch nicht lange hier beim K1.«
»Ah ja,
also der hat mir einen Tee spendiert.« Michelle setzte sich hin und schlug die
Augen interessiert auf. »Und jetzt? Erzählen Sie mir, woran Sie gerade
arbeiten? Ich meine, kenne ja die Zahlen aus Großstädten, aber wie das hier
aussieht … vielleicht … ist das hier anders … «
Maria
unterdrückte ein Schmunzeln wegen der Mischung aus unverhohlenem Eifer und
Unsicherheit. »Wieso sollte es hier anders sein?«
»Na ja,
ich dachte, hier in der Kleinstadt … «
»Kleinstadt?«
Jetzt kicherte Maria doch. »Mit über einhunderttausend Einwohnern ist Erlangen
eine Großstadt. Woher kommen Sie eigentlich? Irgendwo aus dem Rheinland würde
ich tippen. Düsseldorf?«
Michelle
riss in gespielter Empörung die Augen auf. »Du leeve Joott! Nein! Us Kölle!«
»Oh,
na, das sind andere Dimensionen«, meinte Maria. »Und was hat Sie ausgerechnet
nach Mittelfranken verschlagen? Ich war früher im Präsidium in Nürnberg und da
waren natürlich öfter Praktikanten, aber wenn ich ehrlich bin, kann mich nicht
mal dort erinnern, ob jemand von der FHB dabei war.«
»Na ja … «
Michelle lief rot an. »Eigentlich wollte ich für das Praxissemester gern in die
Nähe der Alpen, ich geh’ nämlich Mountainbiken und Klettern. Nach München
wollten schon so viele, und da Nürnberg ja auch in Bayern liegt, dachte ich,
das ist okay.«
»Nürnberg
liegt in Franken«, korrigierte Maria Ammon entschieden.
»Nicht
in Bayern?«, fragte Michelle verwirrt.
»Franken
gehört zwar politisch zu Bayern – aber wir sind und bleiben
Frrrranken«, verfiel Maria ins Fränkische. »Allmächd! Etz sachen’s bloß Ihna is
des noch ned aufg’falle! Mir rrred’n fei scho ganz anners. Oder habens amol ein
Bayern g’hört, der so rrrrichig rrrrrrote Rrrrrüben sacht?«
Michelle
grinste. »Ach so, dann ist das, als würde man in der kölschen Kneipe jemanden
bitten, ne ›Blutwurst‹ zu bestellen.«
Maria
hob fragend die Brauen.
»Der echte Kölsche bestellt beim Köbes natürlich ne Flönz«, antwortete Michelle mit
erhobenem
Weitere Kostenlose Bücher