Judassohn
zwar nicht erledigt gewesen, weil Emma die Wohnung bereits gekündigt hatte, doch in ihrem neuen Zuhause lebte es sich gut. Zentral, aber erschwinglich, in der Nähe des Schauspielhauses, wo sie eine Anstellung als Dame für alles gefunden hatte.
Ein schönes neues Leben. Alles hatte sich zum Besseren gewandelt, seit Sia Sarkowitz über ihre Schwelle getreten war.
»Und wer kommt sonst noch?«
Emma stöhnte. »Für eine fast Siebenjährige hast du aber kein gutes Gedächtnis. Ich habe es dir doch vorhin schon im Bus aufgezählt. Und vorgestern.« Auf dem Treppenabsatz angekommen, stellte sie die ramponierten Plastiktaschen vor der hohen Tür ab. Altbau, neunzig Quadratmeter, frisch renoviert. Wohnraum war in Leipzig nach wie vor günstig. Nur so konnte sie sich die großeWohnung leisten. Und eine Silvesterparty mit genügend Platz für dreißig Freunde. Sie wischte sich eine dunkle Strähne aus dem schmalen Gesicht. »Sperr mal auf.«
Elena hüpfte lieber noch ein bisschen, bevor sie der Aufforderung nachkam. Dabei summte sie die Namen der Gäste vor sich hin. Natürlich kannte sie jeden Einzelnen.
»Wird das heute noch, Fräulein?«, sagte ihre Mutter gespielt ärgerlich. Emma war stolz, dass Elena sich als klug und ungewöhnlich eigenständig für ihr Alter erwies. Aber sie sagte es lieber nicht allzu oft. Sonst würde ihre Tochter noch eingebildet werden. In der Schule schrieb sie die besten Noten. »Wir müssen doch die Wohnung dekorieren.«
»Ach, Mama. Das mache ich doch mit links.« Elena nahm den Schlüssel, der am Halsband hing, und öffnete die Tür. Dann versuchte sie, eine der Tüten zu schleppen. Stattdessen riss der rechte Griff ab, und sie purzelte rückwärts in den Flur. »Menno«, machte sie beleidigt.
»Nicht schlimm.« Emma schob die Tasche mit dem Fuß hinein und trug die andere. »Dein Kopf ist noch dran, die Zöpfe sitzen auch. Und jetzt legen wir los!«
Ihr war nie aufgefallen, dass es noch nach neuen Möbeln roch, wenn man die Wohnung betrat. So ziemlich alles, auf dem man sitzen, liegen und stehen konnte, stammte aus einem sehr günstigen skandinavischen Möbelhaus. Zu mehr hatte das Geld nicht gereicht, und außerdem fand Emma es nicht einmal schlecht.
Alles war in hellem Holz oder weiß lackiert gehalten. Ihre neueste Errungenschaft, eine separate Anrichte, dünstete anscheinend die Buche in sich aus.
Die Einkäufe wanderten teils in den Kühlschrank, teils in die Vorratsregale, teils auf den Arbeitstisch.
Gemeinsam fertigten Mutter und Tochter Käse-Obst-Spieße an, über die sie Kürbiskernöl und alten Balsamicoessig gaben,und nannten es
Die Rache des schwarzblutigen Käseigels.
Danach begann die Fertigung der
adligen Unterlegscheiben:
runde Pumpernickelstücke, die mit Frischkäse und günstigem Forellenkaviar versehen wurden. Alles wanderte in den Kühlschrank.
»Haben wir doch gut hinbekommen! Ich mache rasch den Nudelsalat.« Emma sah auf die Uhr. Noch zwei Stunden. »Du kannst dein Zimmer aufräumen, damit Üdin, Greta und Joanna und du Platz genug zum Spielen haben. Und vergiss nicht zu duschen.«
Elena verdrehte die Augen und blies die Luft in die Höhe, die den hellgesträhnten Pony zum Fliegen brachten. »Menno.« Aber sie trottete los. Gleich darauf schallte Kindermusik durchs Haus. Zum sicherlich tausendsten Mal zogen Wickie und die Wikinger fest das Segel an, bevor die Biene, die Karel Gott meinte, Maja hieß. Kleine, freche, schlaue Biene Maja.
Emma hatte gelernt, es zu überhören. Spätestens beim Dröhnen der Dunstabzugshaube versank die Hymne von Bibi Blocksberg, der kleinen Hexe, in einem deutlich angenehmeren Rauschen.
Die nächsten Minuten verbrachte sie mit der Zubereitung des asiatischen Nudelsalats und war froh, von Elena in Ruhe gelassen zu werden.
Kaum war sie damit fertig, nutzte sie die Gelegenheit und verteilte in Küche und Wohnzimmer Schälchen mit Knabberzeugs, leere Gläser und ungekühlte Getränke. Der Rest stand auf dem Balkon.
Noch eine halbe Stunde. Emma war glücklich. Mit allem und ihrem Leben. Das hatte sie nicht immer behaupten können.
»Elena?«
Sie ging ins dunkellilafarbene Kinderzimmer, wo eine Ordnung herrschte, wie sie es selten erlebt hatte. Nur ihre Tochter fehlte.
»Gut gemacht«, rief sie laut und schaltete das Kinderlieder-Gedröhneab. Sie marschierte ins Bad, um sich ebenfalls schnell zu duschen und etwas anderes anzuziehen.
Denn unter den Partygästen würde sich auch Sebastian, ein netter Anfangsdreißiger,
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