Judassohn
schartiges Beil geklammert. »Ihr habt den Nachzehrer befreit, den wir vernichtenwollen«, sagte er mit bebender Stimme. »Schlagt ihm den Kopf ab, bevor er entkommt!«
Er stinkt vor Angst.
Ignaz bleckte die Nadelzähne. »Und wenn wir das nicht tun wollen?« Die Vampyre, bis auf Dominic, lachten leise.
»Upir!«, gellte die Warnung, und die Waffen wurden den Vampyren entgegengereckt. Gebete wurden gemurmelt. Einer schrie den Wartenden bei den Hütten zu, sie sollen sofort in die Wohnungen zurückkehren und die Eingänge verbarrikadieren. »Bei Jesus Christus, unserem Herrn, dem Vater und dem Heiligen Geist: Weichet von uns, ihr Ausgeburten des Teufels!«, rief der Alte und hob das Heiligenbild.
Dem Maler müsste man für die schlechte Arbeit die Hände abhacken.
Dominic sah auf die gemalten Augen, auf das leidende Antlitz, das von gelber Farbe anstatt von Blattgold umgeben war – und fühlte sich plötzlich davon abgestoßen. Um ein Haar hätte er einen Schritt rückwärts gemacht.
Wieso?
Er wunderte sich selbst. Als Judassohn berührte er Kreuze, ohne dass es ihm Schmerzen bereitete. Die christlichen Symbole vermochten ihm normalerweise nichts anzuhaben.
Jussep und Hossein fauchten. Sie zeigten ihre Fänge, lange Nägel wuchsen aus den zu Klauen gekrümmten Fingern. Auch sie fühlten den starken Glauben an das Gute, den der Alte ihnen gleich einer glühenden Hitzewelle entgegenstrahlte.
Vanja schaute Dominic verwundert an. Sie hatte seine plötzliche Verunsicherung bemerkt. »Hauptmann?«
Dominic konnte sich nicht rühren. Er starrte hypnotisiert auf die Ikone, deren Augen unvermittelt lebendig wurden! Das Gelb erstrahlte goldfarben, und die Gloriole blendete ihn.
Was ist plötzlich mit mir los?
Die Umgebung verschwand in der Helligkeit, nur das Porträtblieb sichtbar. Der gemalte Mund bewegte sich, schrie ihn mit der Stimme des Alten an: »Weiche, Upir! Verschwinde in die Dunkelheit, aus der du gekommen bist! Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Weiche!« Die Wörter überlagerten sich, schwollen noch lauter an.
Die Hitze warf sich gegen ihn, steigerte sich und umfing ihn golden glühend. Er roch schmurgelnden Stoff, brennende Haut und Haare.
Ich … vergehe!
Dominic wurde von Furcht übermannt. Er wollte sich umdrehen und rennen – da fuhr ein Riss mitten durch den sprechenden Ikonenkopf, und es wurde schlagartig dunkel. Das Echo endete, das Sonnenfeuer war verschwunden.
Vanja stand über dem Alten, ihr Spaten war ihm durch die Ikone hindurch in den Bauch gefahren. Sie sah zu ihrem Hauptmann, als wolle sie sichergehen, dass ihre Tat ihm Linderung verschafft hatte. Sie grinste erleichtert und hackte brüllend auf die umstehenden Männer ein.
Ignaz, Jussep und Hossein folgten ihr zischend und fauchend, sogar Gregorius warf sich in das Gemetzel. Er riss im Vorbeigehen zwei Kreuze aus dem Boden und schwang sie wie Hämmer.
Dominic war noch immer erschüttert. Er sah auf die Ikone, die unter den breiten, schmutzigen Füßen des Nachzehrers in mehrere Teile zerbrach. Seine Kehle war dörrer denn je, der Mund brannte säuregleich.
Ich brauche Blut!
Er zog seinen Säbel und sprang mit einem riesigen Satz über die Verteidiger hinweg. Er wollte die Jungfrauen für sich, bevor die anderen Vampyre kamen und sie ihm streitig machten.
Dominic hatte den besonderen Geruch nicht verloren. Erinnerungen an die Bastille, den Keller und die wundervolle Charlene flammten auf, erloschen wieder und steigerten seine Gier. Erfolgte dem Duft und stand vor einer Tür, auf die ein Kreuz gemalt worden war.
Abrupt blieb er stehen.
Du wirst nicht zurückweichen
, feuerte er sich selbst an.
Es wäre dein Ende als Hauptmann
.
Mit einem zornigen Schrei sprang Dominic auf das Dach, drosch ein Loch durch die Holzschindeln und ließ sich mit den Trümmern in die Kammer darunter gleiten.
Frauen und Kinder kreischten auf. Sie drängten sich in eine Ecke, nahe dem Feuer, als könnten die Flammen sie beschützen. Eine der älteren Frauen stellte sich ihm in den Weg und bekreuzigte sich, dann schleuderte sie ihm ein Gebet entgegen.
Nein!
Dominic sah die Form des Kreuzes als brennendes Symbol auf ihrer Brust prangen. Es schreckte ihn ab wie vorhin die Ikone. Wieder fühlte er die vernichtende Hitze, die nach ihm greifen wollte. Die heiligen Worte dröhnten laut in seinen Ohren, verursachten ihm Schmerzen und drohten, ihm die Hörkraft zu nehmen. Er musste sich regelrecht dagegenstemmen und die
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