Judassohn
Stiefelabsätze in die Dielen schlagen.
Hör auf damit, Alte!
Sie sah ihren Erfolg und betete lauter, schlug das Kreuz erneut, dieses Mal vor Dominics Augen in der Luft.
Wieder entstand das Zeichen als flammendes Fanal und blieb gleißend bestehen. Letztlich trieb es ihn doch rückwärts.
»Ich bin ein Kind des Judas!«, schrie er sie an. Seine eigene Schwäche, die er sich nicht zu erklären vermochte, machte ihn rasend. »Dein lächerlicher Glaube kann mir nichts anhaben!« Ein roter Schleier legte sich von oben über seine Sicht. Er würde gleich die Beherrschung verlieren.
Todesschreie erklangen von draußen, die sich mit dem wilden Brüllen der Vampyre mischten. Der Geruch von frischem Blut strömte durch die Ritzen und Fenster.
Ich will trinken! Ich muss!
Aber die Alte schützte seine Beute und bemalte den Raum mit ihren verfluchten, brennenden Kreuzen!
Er fletschte die Zähne und bemerkte, dass die Mädchen am Kamin zwar auch beteten, die Worte aber nicht die gleiche schreckliche Wirkung entfalteten.
Sie glauben nicht aus vollem Herzen!
Das gab ihm Mut. »Hör auf damit!« Dominic wurde sich bewusst, dass er den Säbel in der Hand hielt. Zwar wagte er sich nicht näher an sie heran, doch …
Mit all dem Hass, den er für sie empfand, schleuderte er die Waffe nach ihr. Der Säbel fuhr der Frau mit dem Spitze voran durch die Brust und drang bis zur Parierstange in sie ein. Sie flog rückwärts, zur gegenüberliegenden Wand. Der Stahl bohrte sich durch die Lehmmauer und pinnte sie fest, hielt sie aufrecht an Ort und Stelle. Kein Schrei war über ihre Lippen gedrungen.
Die Mädchen am Kamin schrien auf und klammerten sich aneinander, ein ganz mutiges nahm ein Scheit aus den Flammen und reckte es Dominic entgegen.
Die Flammenkreuze verblassten, die Hitze verschwand, während ihr Körper erschlaffte und der Kopf herabsank. Sie starb, und die Barrieren existierten nicht länger. Ihr Blut lief den Griff entlang und tröpfelte zu Boden.
»Ich bin stärker als dein Gott, Alte!« Dominic wurde vollends vom Hunger und der Gier übermannt. Er sprang mit weit geöffnetem Mund auf das erste Mädchen zu und schlug ihr das Scheit aus der Hand. Die langen Fangzähne rissen ihr den Hals bis zur Wirbelsäule weg, und er ließ ihr Blut gegen sich prasseln. Dabei packte er lachend die nächsten Mädchen, und eine Frau, die flüchten wollte, schickte er mit einem knochenbrecherischen Tritt gegen die Knie zu Boden.
Der Rausch des Tötens überkam Dominic. Es gab für ihn kein Halten mehr.
November 1790,
nahe Požarevac (serbisches Gebiet)
Marek und Dominic betraten den Ort, an dem sich die Cognatio versammelte.
Früher, so hatte Metunova Dominic berichtet, waren diese Treffen glanzvoll verlaufen. Sie waren regelrecht zelebriert worden: Kerzenleuchter, edle Roben und oftmals ausgefallene Speisen für den Geschmack, und dazu besten Wein. Man hatte über die neuesten Forschungsberichte diskutiert, sich über die Aktivitäten von Vampyrabschaum im Einflussbereich der Cognatio beraten und überlegt, wie man der Plage besser Herr wurde. Stil hatte regiert.
Aber angesichts der Ruine, in die sie hineingingen, zweifelte Dominic an dem beschriebenen Prunk.
Die Höhle meiner Bande sieht allemal besser aus als das hier.
Die
Gölgelic
hatten sich seit dem Massaker bislang dreimal an größeren Gehöften versucht. Osmanen oder Serben – die Vampyre machten keinen Unterschied zwischen Menschen und Glaube, sondern nur stattliche Beute. Viele teure Teile der Einrichtung standen nun im Rückzugsort der Bande und sorgten für Behaglichkeit.
Leider gehörten Jussep und Hossein immer noch dazu. Dominic hatte bislang keine Gelegenheit gefunden, sie zu eliminieren, und Vanja dafür freie Hand gelassen. Sie war nach einer neuerlichen Nacht mit ihm auf dem Lager seine Stellvertreterin geworden, und er rechnete damit, dass sie ihm schon bald die abgeschlagenen Köpfe der Vampyre präsentieren würde. Vanja besaß Ehrgeiz und Geschäftssinn.
»Das ist einmal ein katholisches Kloster gewesen«, sagte Marek, während sie über die unebenen Platten eilten, und beendete Dominics Überlegungen zu den Räubern. »An dieser Stelle befandsich ihr Rohbau, aber in der Zeit, als die Osmanen die Oberhand hatten, wurde er zerstört. Die Mönche hatten sich nicht an die Vorgaben gehalten und zu hohe Kirchtürme errichtet. Höher als die Minarette. Die Beleidigung Allahs verlangte nach Strafe.«
Dabei sehen die Überreste aus, als würden sie schon
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