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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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tausend Jahre an dieser Stelle stehen.
    Ranken und Gestrüpp wuchsen allenthalben, die Fresken an den Wänden waren von der Witterung übel zugerichtet worden. Dennoch verströmten die Mauern Würde.
    »Du hast alles verinnerlicht?«
    Dominic nickte nur und schaute sich weiter um. Die Kreuze, an denen sie vorbeihasteten, machten ihm nichts aus. Mit Schaudern dachte er an seine Gefühle im Dorf zurück. Er hatte wirklich Angst gehabt, von diesen brennenden, schwebenden Kreuzen vernichtet zu werden. Todesangst.
    Es wird nicht noch einmal geschehen.
    »Du kennst die Formeln? Und keine vorlauten Worte gegen den Ischariot.«
    Das hängt davon ab, wie er mit mir umgeht.
    »Ja, Oheim«, antwortete er und grinste verstohlen.
    Marek trug wieder die besondere Perücke, die sich kunstvoll türmte und glitzerte, als sei sie mit Diamantstaub gepudert worden. Aber Dominic sah dem Kopfschmuck an, dass dringend die Pflege eines Perückenmachers notwendig wäre. Die schmucklose Robe, die Marek trug, erinnerte an den Talar eines Pfarrers oder an die schwarzen Gewänder der
Gölgelic
, was so gar nicht zu den Erzählungen der Baronin passte. Der Bund der Sieben schien sich auf das Wesentliche zu beschränken.
    »Gut.« Marek langte unter das Gewand und nahm einen silbernen Dolch heraus, in dessen Griff drei Dolchpaare eingraviert waren: eins oben, zwei darunter. »Ein Geschenk, Neffe. Es soll dir Glück bringen. Und sollten Wandelwesen nach deinemLeben trachten, wirst du fortan stilvoll gewappnet sein, wie es sich für einen Judassohn ziemt.« Zum ersten Mal klang er gütig und großmütig – wenn nur dieser Unterton nicht gewesen wäre.
    »Meinen Dank.« Dominic nahm die Waffe an sich und verstaute sie im Gürtel. »Der Dolch wird seine Aufgabe erfüllen.«
    »Übrigens, um deine kleine Bande musst du dich nicht mehr kümmern.«
    Dominic durchfuhr ein heißer Blitz, dem unmittelbar Kälte im ganzen Körper folgte. Er hatte es befürchtet. Er schwieg und wartete ab, was er zu hören bekommen sollte.
    Marek lächelte souverän. »Tu nicht so überrascht. Dachtest du, ich würde nicht handeln? Dafür bist du ein zu großes Talent, das nicht bei solchen Kindereien vergeudet werden darf.« Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich bin dein Oheim und sorge mich um dich. Da es dir schwerfiel, dich aus eigenem Antrieb von den Verbrechern fernzuhalten, habe ich deinen Freunden eine entsprechende Nachricht zukommen lassen, die unmissverständlich war. Die
Gölgelic
sind aufgelöst.« Marek lächelte irritierenderweise, anstatt herumzuschreien und zu toben, wie er es vor kurzem in der Bibliothek getan hatte. »Sollte ich dich noch einmal dabei erwischen, dass du eine zweite Gruppe von Abschaum um dich herum sammelst, teilst du ihr Schicksal.« Er ließ Dominic los. »Damit ist die Sache für mich erledigt. Für dich auch.«
    Das klang viel zu harmlos.
    Dominic blieb stumm und deutete ein Nicken an, dass er verstanden habe und gehorchen werde, auch wenn er nicht beabsichtigte, Mareks Anweisungen zu folgen. Er hatte soeben beschlossen, gleich nach der Cognatio zur Höhle zu reiten und nach dem Rechten zu sehen.
    Vielfacher Lichtschein verriet, dass sie sich dem Altarraum näherten, wo die bemalte Kuppeldecke noch erhalten gebliebenwar; nachträglich eingezogene Stützstreben verhinderten, dass sie einbrach.
    Darunter stand die langgestreckte Tafel, an denen zwei Baroninnen und vier Barone in den gleichen dunklen Gewandungen saßen. Hinter ihnen verharrten ihre Elevinnen und Eleven stehend. Fackeln und Leuchter illuminierten die Versammlung. Schweigend erwartete man die Ankunft des Neulings.
    Dominic grinste, als er die neidischen Blicke sah.
    Man mag meine Kleider.
    Er war in seinem teuren, dunkelblauen Kaftan erschienen, den er einem osmanischen Kaufmann abgenommen hatte. Verschiedene Goldketten lagen um Hals und Handgelenke, dazu Ringe und ein Dreispitz, um an seine Heimat zu erinnern. Zwei Pistolen steckten im Gürtel, den Säbel trug er an der Seite.
    Wären wir in einer Stadt, würden sie Marek für meinen Diener halten.
    Sein Oheim steuerte auf den leeren Stuhl zu und nahm Platz.
    Dominic hatte beschlossen, der Cognatio zu zeigen, dass er sie nicht fürchtete. Dass er nicht kuschte. Er stellte sich hinter ihn, legte eine Hand auf die Lehne. Ihm war bewusst, dass er der einzige Eleve war, der dies wagte.
    Sie werden mein Zeichen verstehen.
    Dominic lächelte in die Runde und deutete eine Verbeugung an. »Bonnuit, mes dames et mes

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