Judassohn
ich von dir, und führe fort, was deine Mutter damals begann. Weise deinen eigenen Nachfahren einen Weg aus der Dämonensklaverei und befreieviele andere Vampyre, die du für würdig hältst, ganz gleich, welcher Art sie angehören.
In tiefer Freundschaft und liebevoller Zuneigung Lydia
Dominics Gedanken waren wie erfroren. Sein einziger Halt, dem er vertraut hatte, war aus seinem Leben gewichen. Unwiderruflich. Bestürzt schaute er auf die Tischplatte, der Schock ließ ihn schweigen.
Ich habe ihre Seele nicht mehr vor Botis retten können.
Octavius berührte ihn an der Schulter. »Ich weiß, Junge. Ich weiß. Mir ging es ebenso«, fistelte er. »Ich kam eines Nachts hierher, und die Hunde lagen heulend vor dem Turm.« Er zeigte mit dem Finger gegen die Decke. »In der Bibliothek fand ich sie, zwischen Büchern, die sie wohl für dich herausgesucht hatte. Wir haben noch ein paar Worte gewechselt, und dann ist sie vor meinen Augen vertrocknet. Was von ihr blieb, war eine Hülle, die einer Mumie glich. Die Überreste habe ich auf einem Scheiterhaufen verbrannt.«
Dominic nickte und versuchte zu begreifen, dass die Baronin nicht gleich die Treppe herabsteigen würde und sich zu ihnen gesellte; dass er sie nicht um Rat fragen könnte, wenn er in den Büchern an fremden Sprachen verzweifelte; dass er keine Geschichten mehr über seine Mutter hören würde.
»Ich habe ihr versprochen«, sagte Octavius, »den Turm nicht verfallen zu lassen und mich um ihn zu kümmern, damit er dir fortan zur Verfügung steht.«
»Mir?« Er sah zum Murony. »Ihr lasst das alles für mich tun?«
»Es war Lydias Wunsch. Wie könnte ich dem nicht entsprechen?« Octavius lächelte, was einen herben Kontrast zu seinem stechenden Blick bildete. »Wir beide verfolgen die Sache mit dem Dämon und dem Pakt weiter. Auch das war ihr Wunsch.«
»Bei allem Respekt, aber besitzt Ihr das nötige Wissen, um Euch von dem Fluch zu befreien? Kennt Ihr den Dämon, der Euch mit dem Fluch belegt hat?« In ihm regten sich Widerstand und Misstrauen. Die alte Abneigung gegen den Vampyr erwachte von neuem.
Du kahler Einfaltspinsel! Nur weil du neben ihr gesessen und zugehört hast, besitzt du lange nicht ihr Wissen! Was bildest du dir ein?
»Noch nicht, aber es wird mir gelingen. Allerdings ist die Zeit knapp. Wer weiß, wie lange ich noch zu leben habe.«
Dominic hörte heraus, dass der Murony auf etwas Bestimmtes hinauswollte. »Ihr meint, dass wir uns beeilen sollen.«
»Ich meine, dass du mir die Formel deiner Mutter gibst, Judassohn«, erwiderte Octavius kalt und richtete den Blick aus seinen eisigen Augen auf ihn. »Lydia wünschte es so.«
»Bitte?« Dominic hielt es für eine Lüge. Auch wenn Octavius und die Baronin sehr gute Freunde gewesen waren, konnte er nicht glauben, dass sie
das
von ihm verlangt hatte. Im Brief stand davon nichts zu lesen, und für würdig erachtete er den Murony schon gar nicht. Zudem besaß Dominic die Formel überhaupt nicht.
»Du hast in der Cognatio damit geprahlt«, fiel Octavius ihm ins Wort. »Gib sie her, Judasjungchen.«
Woher weiß er das? Der Bund der Sieben wäre damit nicht hausieren gegangen.
Dominic durchschaute die Maske der falschen Freundlichkeit. »Ihr werdet Euch denken können, dass ich sie nicht bei mir habe«, sagte er bedrohlich und legte eine Hand ans Schwert. Mit ihm hatte er gegen die Loup-Garous bestanden, also traute er sich zu, auch gegen den Murony zu siegen. Es kam auf die Geschwindigkeit an. »Außerdem versteht Ihr nichts von dieser Kunst.«
»Nein. Das muss ich auch nicht.« Octavius sah auf die Waffe. »Ich hoffe für dich, dass du sie mir geben und sie nicht ziehenwillst. Du würdest im Kampf gegen mich sterben. Hinaus gelangst du nicht mehr.« Er zeigte auf den Fensterrahmen.
Dominic blickte sich um und erkannte Messer über den Fenstern und der Tür. Der Murony kannte die Schwäche der Judaskinder genau.
Das Klirren von vorhin. Gefangen!
»Also willst du die Formel nicht für dich selbst. Ich nehme an, du arbeitest für einen Baron oder eine Baronin aus dem Bund der Sieben?«
Octavius nickte. »Ja. Zuerst habe ich Lydia für einen der Barone ausspioniert, jetzt soll ich dich überzeugen, die Formel für die Unsterblichkeit preiszugeben.« Er stand auf und streckte den Arm aus. »Das Schwert will ich jedoch für mich.« Er lächelte kalt. »Du entkommst dem Turm nicht. Er ist dein Zuhause, wie ich schon sagte. Oder du stirbst jetzt in seinen Mauern.«
Ich muss wissen, für
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