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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Unter dem Druck der Kiefer brachen Ellbogen und Unterarm.
    Sandrine schrie und wurde sichtbar, setzte zu einem Schmetterschlag zwischen die Augen der Bestie an. Aber das Rütteln und Reißen an ihr ließ den Hieb fehlgehen. Die Faust traf die Schulter.
    Der Loup-Garou biss nach, zielte auf ihre Kehle.
    Sandrine musste erneut ihre Windgestalt annehmen, sonst wäre ihr Hals zerfetzt worden. Klickend schloss sich die Schnauze um nichts, ein enttäuschtes Grollen erklang.
    Lange halte ich es nicht mehr durch!
    Sie hatte ihre Kräfte zu sehr beansprucht, die Wunde amBauch und der Arm machten ihr zu schaffen. Die Selbstheilung und das Annehmen der Windgestalt kosteten sie ungeheure Energie, und Sandrine spürte bereits den gierigen Durst. Nach zwei Lidschlägen nahm sie erneut feste Form an. Länger wäre es nicht mehr gegangen, und sie keuchte wie nach einem langen Spurt.
    Ein rascher Sieg muss her.
    Mit wütendem Gebell warf sich die Bestie ihr entgegen.
    Sandrine drückte sich ab, sprang auf die
tortue
und von da gegen den Comte. Sie riss ihn zu Boden und packte ihr Hornschwert mit dem gesunden Arm. Sie hatte den Adligen überrascht und konnte ihm die Waffe entreißen. »Das Schwert gehört mir!«
    Von rechts flog ein heller Schatten heran.
    Aus einem Reflex heraus schlug Sandrine zu und hackte der weißen Bestie in die rechte Flanke.
    Die Intarsien der Waffe leuchteten auf. Sie verflüssigten sich blitzschnell und schossen in den Loup-Garou, der aufjaulte und ermattet auf das Pflaster prallte. Er hatte nicht einmal versucht, den Sturz abzufangen.
    Sandrine blieb keine Zeit, sich über den kleinen Sieg zu freuen. De Morangiès attackierte sie bereits.
    Von irgendwoher erklangen die ersten alarmierenden Rufe von Leuten, die das Gefecht beobachtet hatten.
    Sie kreuzten mehrmals die Klingen, dann rutschte der Comte unvermittelt auf den feuchten Steinen aus und verlor das Gleichgewicht.
    Jetzt!
    Sie versetzte ihm einen Tritt, der ihn rücklings gegen den Karren schleuderte, und schlug gleichzeitig zu. Sandrine hatte genau gezielt.
    Das immer noch quecksilbrig leuchtende Schwert fuhr ihm durch die rechte Schulter, durchtrennte sie zur Hälfte; mitsamtdem Arm klatschte sie neben dem Rad nieder. Aus den Fingern löste sich seine Waffe. Entsetzt starrte De Morangiès auf die Wunde, die wie kauterisiert wirkte.
    »Ihr oder einer Eurer Diener habt meiner Geliebten die Schulter und den Arm genommen«, sagte Sandrine keuchend und stand schwankend vor ihm. »Das Gleiche habe ich Euch angetan, mon Seigneur.«
    De Morangiès kippte zur Seite und fiel auf die Straße, öffnete den Mund. Ein Schrei gelang ihm nicht.
    »Was immer Ihr mir anlasten wollt, mon Seigneur, ich weiß es nicht.« Sie steckte das Schwert in die Scheide und packte die Deichsel, hob sie mit Mühe auf. Die Verletzungen am Arm waren bereits geheilt, nur die Wunde am Bauch schmerzte. »Vergesst mich. Wir werden uns nicht mehr sehen.« Sandrine stapfte los.
    Der weiße Loup-Garou hatte sich in eine Frau verwandelt, aus deren Augen, Nase und Mund silbrige Flüssigkeit quoll, als wäre sie mit Quecksilber aufgefüllt worden und übergelaufen. Ihr Blick war gebrochen.
    Als Sandrine sich einige Straßen weit entfernt hatte, hörte sie de Morangiès’ langgezogenen, gequälten Schrei.
    Während sie sich beeilte, zum Tor hinauszugelangen, änderte sie ihren Plan. Auf eine Überprüfung der
tortue
musste sie verzichten. Es war zu gefährlich und würde zu lange dauern. Der Kampf war gesehen worden, und angesichts der Morde in der Vergangenheit würde sich Calais gleich in Aufruhr befinden.
    Bis ich an der Mauer angekommen bin, sind die Tore schon geschlossen.
    Sandrine machte kehrt und hetzte mit der
tortue
hinunter an den Hafen, wo die großen Reparaturwerften standen. Sie besaßen Flutbecken, in denen die Schiffe im Trockenen instand gesetzt wurden. Nach der Fertigstellung gelangte das Wasser durch einen Kanal hinein, und das Schiff wurde hinausgeschleppt.
    So wird es funktionieren.
    Sie widersetzte sich dem Zwang, sich noch etwas zu trinken zu suchen und den Durst nach Blut zu stillen.
    Auf See wird sich ein Schiff finden, das ich aufbringen kann.
    Sandrine erreichte die menschenleere Werft. In einem der Trockendocks stand ein Schiff, doch es spielte für sie keine Rolle. Der Platz reichte aus, um die
tortue
zu wassern.
    Hastig öffnete sie die Schieber, und das salzige Meerwasser rauschte schnell und schäumend in das Becken. Derweil schob sie den Karren an, schwang sich

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