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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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er und schlug auf seine kokelnden, schmurgelnden Haare ein.
    Sie riss ihn herab und schleuderte ihn auf den Boden, nahm den Wassereimer und goss den Inhalt über den Bootsbauer. Die Feuer an ihm erloschen. Die Glut hatte Löcher in die Kleidung und die Haut gefressen. »Also, warum?«, wiederholte sie. »Und glaube mir, dass ich deinem unverbrannten Fleisch das irdische Fegefeuer wieder zeigen werde, wenn ich merke, dass du mich anlügen willst, Bastard. Dieses Mal fange ich mit deinem Gesicht an.«
    »Für die Revolution!«, jammerte er mit zusammengepressten Zähnen. Rauch stieg rings von ihm auf. »Wenn die Engländer uns angreifen, sind diese Unterwasserboote perfekt, um Sprengladungen an den Rümpfen anzubringen. Wir können die Feinde versenken, bevor sie bei uns sind.«
    »Und wem wolltest du sie geben?«
    Brieux wimmerte.
    »Wem?«, schrie sie ihn an und trat auf den Blasebalg. Fauchend schossen Funken aus den glühenden Kohlen empor. »Denke an dein Gesicht und deine Seele!«
    »Dem Überwachungsausschuss! Dem Überwachungsausschuss von Calais!«, stieß er ächzend hervor.
    »Hast du sie schon abgeliefert?«
    »Nein! Nein! Ich wollte dich beobachten, wenn du damit in See stichst, ob die
tortue
überhaupt etwas taugt. Wenn du abgesoffen wärst, hätte ich sie vernichtet.« Brieux zeigte auf den Schreibtisch. »In der Schublade sind sie.«
    Sandrine ging zum Tisch und schleifte den Mann hinter sich her, der jedes Mal vor Schmerzen aufschrie, wenn sein blankes, verbranntes Fleisch mit dem rauhen Boden in Berührung kam. Sie riss die Schubladen heraus. Die durchgepausten Pläne waren wirklich darin und landeten gleich darauf auf dem Kohlenbett, wo sie in einer kleinen Lohe vergingen.
    Er wird nicht schweigen. Dafür ist er ein zu eifriger Revolutionär.
    Sie richtete den Blick auf den Bootsbauer. »Ich verlasse dich jetzt, Charles. Aber ich möchte dir einen Kuss als Dank für deine Ehrlichkeit geben. Einen besseren wirst du nie mehr erhalten.«
    Sandrines Kopf schnellte nach vorne, die Fänge bohrten sich in den Hals. Sosehr Brieux zappelte und auf sie einschlug, es nützte nichts. Nach einem kurzen Moment war er sein Blut los und ihr Durst gestillt.
    Nicht das Beste, aber doch angenehmer als der dünne Saft der Bettler.
    Sandrine warf ihn mit dem Oberkörper voran in die Esse und betätigte den Blasebalg. Die unglaubliche Hitze würde den Leichnam rösten, verbrennen und ihre Bissspuren verdecken. Ob der Schuppen abbrannte oder nicht, kümmerte sie nicht. Sie schnallte sich das Schwert um, legte das Cape um und packte den Karren.An der Deichsel zog sie ihn aus der Werkstatt, im Freien warf sie die Plane wieder über die
tortue.
    Die zweite Phase ihres Plans begann.
    Unweit von Calais gab es ein paar kleine Weiher, wo sie die Dichtigkeit überprüfen wollte. Stehendes Wasser bedeutete keine Gefahr für sie. An einem von ihnen hatte sie in nächtelanger Arbeit eine Rampe errichtet, wo sie die
tortue
einsetzen konnte. Gelang der Test, würde sie in See stechen.
    Er wird gelingen. Ich habe keinen Zweifel an den Plänen.
    Sandrine kam gut voran und verließ das Viertel der kleinen und großen Werften.
    Die Straßen und Gassen waren beinahe wie zu Pestzeiten verlassen. Mit einem hatte Brieux recht gehabt: Die bestialischen Morde hatten die Einwohner in die Häuser getrieben, wo sie sich geschützt fühlten. Das Rattern der Räder schallte umso lauter von den Wänden zurück. Die wenigen Menschen, an denen sie vorübereilte, warfen ihr manchmal befremdete Blicke zu. Sie fragten sich, wie eine zierliche Frau einen Pferdekarren mit erkennbar schwerer Last durch die Gegend ziehen konnte.
    Glotzt nur. Ich werde euch die Lösung des Rätsels nicht verraten.
    Vor ihr erschien eine Gestalt in einem langen schwarzen Mantel und blieb mitten auf der Straße stehen. Die rechte Hand war auf einen Ebenholzstab gestützt, die Haare waren unter dem Dreispitz verborgen.
    Sandrine erkannte den Mann sofort. »Monsieur le Comte!« Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Ihr letztes Zusammentreffen mit ihm war zwar friedlich verlaufen, aber sie hatte die Vorahnung, dass es diesmal anders ausgehen würde.
    Anjanka hat ihren Arm durch eine seiner Bestien eingebüßt. Heute hat er es auf mich abgesehen. Aber warum?
    Sie setzte die Deichsel ab und wartete ebenfalls. Noch verzichtete sie darauf, das Schwert unter ihrem Cape hervorzuziehen.
    Hinter ihr erklang das Trappeln von leisen Pfoten. Es rumpelte hölzern, und ein Grollen tönte von oben

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