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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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auf das Unterwasserboot und durch die Luke ins Innere, klappte sie zu und verriegelte sie mit dem Handrad.
    Der Karren rollte über den Rand und fiel hinein. Sandrine wurde in der
tortue
durchgeschüttelt, stemmte sich mit Armen und Beinen gegen die Seitenwände.
    Das hat geklappt.
    Als das Wasser um die vorderen Bullaugen schwappte, öffnete sie mit einer weiteren Kurbel den unten angebrachten Ballasttank. Gluckernd füllte er sich und zog das Gefährt in die Tiefe. Vor ihr lag der Kanal, der sie hinaus in die See brachte. Noch befand sie sich in stehendem Gewässer.
    Also gut.
    Sandrine setzte sich und trat in die Pedale; quietschend drehte sich das Schraubengestänge.
    Hoffentlich hat mein rabiates Wassern keinen Schaden angerichtet.
    Die
tortue
nahm Kurs auf den Hafen und gelangte unter der Oberfläche schnell vorwärts.
    Nun bekam Sandrine Angst. Fließendes Wasser war für sie wie ätzende Säure und würde sie auflösen, vermutlich schnell und furchtbar schmerzhaft. In der beengten
tortue
gab es im Notfall keinerlei Entkommen für sie.
    Reicht ein Tropfen schon aus, um mir zu schaden, oder mussich von einem Strahl getroffen werden? Wenn Brieux doch einen Fehler begangen hat?
    Misstrauisch sah Sandrine zu den pechversiegelten Nähten. Sie hatte allen möglichen Bestien getrotzt, war de Morangiès entgangen und hatte sich ihm gegenüber großzügig gezeigt. Ja, sie hatte mächtigen Vampiren widerstanden – doch diese Furcht vor dem Wasser zerrte unfassbar an ihren Nerven.
    Gleich wird sich zeigen, was meine Überlegung zum Fluch und wie man ihn umgehen kann wert gewesen sind.
    Die helleren Kanalwände schwanden um sie herum, und sie sah mit einem Mal nichts als Schwärze. Sandrine lauschte mit angehaltenem Atem in sich, ob sie ein Zeichen spürte. Ob ein Zerfallsprozess begann. Ob der Fluch sie ereilte und sich nicht täuschen ließ.
    Aber es ereignete sich nichts.
    Es sieht gut aus.
    Sie strampelte, und es ging weiter vorwärts, hinauf aufs of fene Meer. Für Sandrine war es, als wäre sie von Säure umgeben.
    Es rumpelte, die
tortue
geriet ins Schlingern. Erschrocken wartete sie, was geschah.
    Was ist, wenn mich ein Stück Treibholz rammt und das Glas zerschlägt?
    Sie dachte sich in ihrer Furcht die schrecklichsten Szenarien aus: von Schiffen überfahren und von deren Rümpfen zerdrückt, in Netzen verfangen und versenkt, von Walen angegriffen, an Riffen zerschellt. Und immer landete sie dabei im Meer, das sich schäumend auf sie warf und sie auslöschte, so dass nicht einmal Knochen übrig blieben.
    Es sind so viele Dinge, die nicht in meiner Hand liegen.
    Sandrine ängstigte sich ohne Unterlass und wusste nicht, zu wem sie um Beistand beten sollte. Gott würde eine Kreatur wie sie nicht anhören, und dem Dämon konnte es gleich sein, ob sieverging oder nicht. Die Furcht würde bleiben, bis sie wieder festen Boden unter den Füßen hätte.
    Gleichzeitig war sie erfüllt von unbändigem Stolz auf sich selbst: Sie war dabei, der Barriere ein Schnippchen zu schlagen!
Frühsommer 1793,
Irlands Südküste, Königreich Irland
    Sandrine strampelte mit schmerzenden Beinen, doch die
tortue
bewegte sich nicht in die Richtung, in die sie eigentlich steuern sollte. Allerdings konnte das kleine Unterwasserboot nichts dafür. Es waren stärkere Mächte am Werk.
    Es lief so gut!
    Kurz vor der Küste kam das, wovor sich Sandrine unentwegt gefürchtet hatte: ein Sturm. Am frühen Abend waren die ersten Wolken aufgezogen, und das Meer hatte sich gehoben und gesenkt wie die Brust eines schnell atmenden Lebewesens.
    Sandrine schwamm mit der
tortue
an der Oberfläche in der Hoffnung, schneller voranzukommen, aber die Strömungen und der starke Seegang machten sie zum Spielball der Wogen. Anscheinend hatte der Fluch Mitleid mit ihr, denn obwohl sie den Schutz des Meeres verlassen hatte, verging sie nicht. Sie vermutete, dass es mit der geschlossenen Kapsel der
tortue
zu tun hatte. Genau wissen wollte sie es auch nicht, solange es nur gutginge.
    Eine Welle hob die
tortue
an, den schwarzen Wolken entgegen, in denen es blitzte und leuchtete, bevor die Fahrt senkrecht nach unten ging.
    Sandrine kannte den wilden Ritt bereits.
    Dieses Mal breche ich mir nicht wieder Arm und Bein.
    Sie stemmte sich gegen die Seitenwände, während das Unterseeboot vornüberkippte und in eine Rollbewegung geriet. Sie wurde heftig umhergeschleudert und schloss die Augen; dasDrehen ließ sich auf diese Weise besser ertragen. Dann endete das Kreiseln und

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