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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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ging in ein Hüpfen über.
    Mir ist schlecht …
    Sie öffnete die Augen wieder – und erkannte durch die kleinen Bullaugenfenster hochsprühende Gischt, die weit vor ihr aufstieg.
    Ein Riff!
    Sandrine musste das Erbrechen unterdrücken.
    Ich werde tauchen müssen. Danach versuche ich, an der Küste vorbeizukommen.
    Sie flutete den Ballasttank mit Hilfe der kleinen Pumpe, und die
tortue
senkte sich unter die tobende See. Allerdings machte sie nach sieben, acht Schritten unter der Oberfläche einen Satz vorwärts und wurde tiefer gezogen.
    Noch eine Strömung!
    Sandrine warf sich in die Pedale und versuchte zu verhindern, dass das Unterwasserboot in die Tiefe gerissen wurde. Das Holz ächzte, der Druck erhöhte sich und stellte das Material auf die Probe. Sosehr sie zu steuern versuchte, laut Kompass hielt sie weiterhin auf die Küste zu. Und damit auf das Riff.
    Ihr wurde nun schlecht vor Angst. Die Tiefe drohte die
tortue
zu zermalmen, und wenn Sandrine sich doch aus der Strömung befreien konnte, lauerte das Riff, an dem das Boot zerschnellen würde.
    Scylla und Charybdis.
    Sie riss mit viel Kraft am bockenden Steuer und hatte den Eindruck, dass es plötzlich aufwärtsging. Im wahrsten Sinn des Wortes. Die Geschwindigkeit verringerte sich hingegen nicht. Vor den Bullaugen wurde es heller und dunkler, viele Bläschen perlten empor.
    Ich nähere mich der Oberfläche. Das Flackern müssen die Blitze sein.
    Abrupt schoss die
tortue
nach oben, es klirrte, als Sandrine das Steuer abriss.
    »Merde!«, schrie sie und versuchte, das bloße Gestänge mit den Händen zu führen.
    Das Boot ließ sich von ihr gar nicht mehr beherrschen und verfiel wieder ins Trudeln und Schlingern. Gelegentlich rummste die
tortue
gegen Hindernisse, und bei jedem Rumpeln blieb Sandrine das Herz stehen.
    Sie tastete umher, fühlte nach den Nähten.
    Bitte, haltet! Gebt nicht nach und schützt mich!
    Die Bewegungen wurden immer heftiger, dann wurde es für einen Lidschlag gleißend hell. Durch das gewölbte Glas sah Sandrine die Umgebung gleich einem Gemälde in Schwarzweiß: Weißflockige Gischt ragte um sie herum auf, an drei scharfkantigen Felsbrocken explodierten die Wogen und schienen mit ihren Myriaden Tropfen eingefroren. Darüber erhob sich drohend eine Steilklippe, auf der ein warmes Licht schimmerte, als wolle es Trost und Hoffnung geben; dann wurde es wieder dunkel.
    Der Schrecken lähmte sie, aber das Bild hatte sich in ihren Verstand gefressen. Einen schlimmeren Alptraum gab es nicht. Umgeben von mannigfachem Tod.
    Anjanka …
    Die
tortue
schoss in ein Wellental, dann donnerte sie gegen einen der Felsen.
    Sandrine schrie auf und wurde gegen die Holzwand geschleudert. Die Gläser barsten splitternd, und sie hörte, wie Wasser in den Innenraum plätscherte. Die Furcht fraß jegliche Vernunft. Sandrine versuchte, sich klein zu machen und kaum Angriffsfläche für das Wasser zu bieten. Feuchtigkeit traf sie, und sie brannte wie Säure auf ihrer Haut.
    Raus, raus aus diesem Grab!
    Sie versuchte, die Windgestalt anzunehmen, aber … es gelang ihr nicht!
    Das Meer blockiert mich! Es … nein! NEIN!
    Wieder und wieder wollte Sandrine ihre Macht dazu zwingen, ihr beizustehen und sie zu befreien, und vergeudete nur noch mehr Kraft. Noch mehr Spritzer gelangten bis zu ihr, und sie schrie auf.
    Da prallte das Unterwasserboot auf einen Felsen und zerbrach wie eine Nussschale unter einem Hammer.
    Sandrine bekam das Schwert zu fassen und flog durch Dunkelheit, durch feuchte, salzig schmeckende Luft.
    Um sie herum rauschte die Brandung, und sie griff um sich, um etwas in die Finger zu bekommen, was sie vor dem Sturz in das nasse Grab bewahrte. Aber es gab nichts zum Festhalten. Sie glaubte, den Dämon lachen zu hören, zu dem sie gleich einfahren würde.
    So dicht vor meinem Ziel, so dicht vor meinem Leben mit An…
    Sandrine landete mit dem Oberkörper voraus auf hartem Untergrund. Sie verlor das Schwert. Ihr rechtes Schlüsselbein brach, mindestens vier Rippen gaben knackend nach, und sie rollte etliche Schritte weit, bis sie gegen eine Felswand stieß.
    Ich … lebe!?
    Das Brausen der brechenden Wogen dröhnte in ihren Ohren, alles in ihr schmerzte. Stöhnend richtete sie sich auf, tastete mit dem linken Arm blind herum. Hinter ihr befand sich Fels, vor ihr scheinbar nichts.
    Ich lebe! ICH LEBE!
    Sandrine lachte auf. Sie musste dem Hall der Wellen nach in einer Höhle gelandet sein. Nicht weit von ihr tobte die See wie ein wütendes Raubtier,

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