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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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das man nur nach einem persönlichen Kennenlernen eingeladen wurde. Wer billige Repros suchte, hatte bei O’Malley nichts verloren.
    Sekretärin Casey, heute im schwarzen Rock und mit leichtem Top, öffnete ihm. »Schön, Sie zu sehen, Mister Byrne«, grüßte sie ihn mit ihrer glockenhellen Stimme, die nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass sie Angst vor ihm hatte und seinem sacht forschenden Blick auswich. Zum ersten Mal.
    Ich habe wohl mit meiner Annahme richtig gelegen? Es wird Zeit für einen kleinen Byrne-Wahrheitstest.
    Er machte einen Schritt hinein und blieb vor ihr stehen, musterte sie. »Wie lange kennen wir uns jetzt schon, Casey?«
    Die junge Frau schluckte. »Es ist jetzt fünf Jahre her, dass ich meine Ausbildung abgeschlossen habe und hier arbeite, Mister Byrne.« Sie nestelte an ihrem Silberarmband.
    »So lange schon?« Er lächelte, weil er roch und ihr ansah, dass ihre Furcht zunahm. »Habe ich Ihnen jemals einen Grund gegeben, vor mir zu zittern?«
    »Nein, Sir.«
    »Warum fangen Sie heute damit an?«
    Sie schlug die Augen nieder, schaute auf ihre bebenden Finger. »Es tut mir leid«, sagte sie und damit alles.
    Sie weiß, warum ich hier bin. Und Kevin weiß es auch. Sie waren es, die den Räubern verraten haben, wo sie die Bücher finden.
    Harm hob langsam die Hand und strich ihr über die Wange. Trockene, warme Haut, jung und rein, kein Make-up. »Beruhigen Sie sich, Casey. Ich kläre die Sache.« Dann ging er an ihr vorbei, durch den Präsentationsraum mit den vielen Glasvitrinen.
    Hier drinnen herrschten immer exakte achtzehn Grad und kaum Luftfeuchtigkeit, um die wertvollen Handschriften und Bücher darin zu konservieren.
    Normalerweise mochte er es, stehen zu bleiben und sich die Seiten der ausgestellten Werke anzuschauen. Doch er lief direkt zum Arbeitszimmer des Buchhändlers, stieß die Türen auf und hob beide Arme ausgestreckt zur Begrüßung. Ein falsches Lächeln lag auf seinem Gesicht.
    »Kevin, mein alter Freund!« Elanvoll setzte sich Harm auf den Sessel an den Schreibtisch, an dem O’Malley hockte und einen Brief geschrieben hatte; den Rucksack stellte er neben sich auf den Boden.
    »Ich konnte nicht anders, Mister Byrne.« Er legte den Füller weg. »Ich habe mir geschworen, Ihnen die Wahrheit zu sagen. Wenn der Einbruch bei Ihnen gelungen ist.«
    Harm schlug lachend mit der flachen Hand auf den Tisch, als hätte er einen guten Witz vernommen. »Sehen Sie? Ich wusste es, Kevin!« Er hob drohend den Finger. »Sie mieser kleiner doppelverdienender gieriger Verräter!«
    »Sir, ich …« Seine Stimme versagte.
    »Oh, kommen Sie, Kevin. Das ist doch einfach gewesen, den Räubern einen Tipp zu geben. Es hat Ihnen nicht weh getan. Wie viel haben Sie bekommen?«
    »Es ist anders, Mister Byrne!«
    »Anders? Dann lassen Sie die Bücher selbst stehlen, um sie anderen Kunden teurer zu verkaufen? Das wäre durchaus ein Modell, was sich nicht minder lohnt.« Harm sprach noch immer in dem jovialen Tonfall, als plauderten zwei Freunde auf einer Party. Nur die Augen passten nicht zu seiner Heiterkeit: In ihnen leuchtete der Tod. Er lehnte sich nach vorn, legte die Unterarme auf die Tischplatte. »Sie hatten mir damals vorgeschlagen, eine Versicherung abzuschließen. Hatten Sie vor, mir zu zeigen, was geschieht, wenn ich es nicht tue?«
    Der Buchhändler schwitzte stark, und die Halsschlagader pulsierte in sehr kurzen Abständen. »Sie sind schon vor einiger Zeit in mein Büro gekommen. Früher waren es gute Kunden, deswegen habe ich keinerlei Argwohn gehegt. Sie banden mir eine kleine Mine umgekehrt auf den Bauch …«
    »Bestimmt eine Claymore«, warf Harm fachmännisch ein. »Gute Idee! Das hätten Sie nicht überlebt, Kevin. Sie nicht, der Stuhl, auf dem Sie gesessen haben, und die Einrichtung hinter Ihnen. Und sogar Casey nicht, wenn sie in Ihrer Nähe gewesen wäre. Weiter!«
    »Sie haben gesagt, dass sie mich in die Luft sprengen, wenn ich ihnen nicht sagen würde, wo sie gewisse Bücher fänden. Die Liste, die sie mir vorlegten, waren Werke, die allesamt von Ihnen erstanden worden waren, Mister Byrne.« O’Malley seufzte. »Danach sagten sie mir, dass sie meine Familie töten werden, wenn ich Ihnen davon berichte, bevor sie Ihnen einen Besuch abgestattet haben.« Der Mann atmete schwer. »Aber ich bat sie, Ihnen nichts zu tun, Sir.«
    »Das war sehr rücksichtsvoll, Kevin. Und jetzt bloß keinen Herzinfarkt bekommen.« Harm richtete sich langsam auf. »Sie werden verstehen, dass

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